Hochoxidierte Produkte vom Isopren: unterschätzte Quelle für Aerosole in der Atmosphäre?

2. Juni 2025

Dank hochsensibler Nachweismethoden können Forschende immer tiefere Einblicke in komplexe chemische Prozesse der Atmosphäre gewinnen: Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig haben bei einer detaillierten Produktstudie zum oxidativen Abbau von Isopren in der Gasphase eine Reihe neuer Produktkanäle entdeckt. Diese Erkenntnisse ermöglichen ein besseres mechanistisches Verständnis dieses für die Atmosphärenchemie so wichtigen Prozesses.

Neue Einblicke in den atmosphärischen Isopren-Abbau

Isopren (C5​H8​), das hauptsächlich von Laubwäldern freigesetzt wird, zählt zu den bedeutendsten Nicht-Methan-Verbindungen mit einer jährlichen Emissionsrate von etwa 600 Millionen Tonnen Kohlenstoff, die in die Atmosphäre gelangen. Dort wird Isopren fast ausschließlich in der Gasphase durch die Reaktion mit dem OH-Radikal abgebaut, welches als „oxidatives Waschmittel“ der Atmosphäre gilt. Dabei entstehen zunächst strukturell unterschiedliche HO-C5​H8​O2​-Peroxyradikale, die miteinander im Gleichgewicht stehen. Trotz der immensen Bedeutung sind deren weitere Reaktionspfade bisher nicht vollständig verstanden. Die Reaktionen des Isoprens dominieren die Gasphasenprozesse besonders in den Tropen, neben denen von Methan (CH4​) und Kohlenmonoxid (CO).

Die Experimente am TROPOS wurden in einem großen Strömungssystem unter Bedingungen von 1 bar Luftdruck und Raumtemperatur durchgeführt. Die Versuchsführung war darauf ausgelegt, die Produktbildung bei atmosphärischen Konzentrationen der reaktiven Zwischenprodukte verfolgen zu können. Zur selektiven Detektion der entstehenden Peroxyradikale und stabilen Produkte wurde hochempfindliche Massenspektrometrie eingesetzt. Die Verlässlichkeit der Ergebnisse wurde durch die gute Übereinstimmung der Befunde bei der Anwendung verschiedener Ionisierungswege bestätigt.

Isopren-Oxidation: Kleine Mengen, große Wirkung auf die Atmosphärenchemie

Die in Leipzig im Labor durchgeführten Untersuchungen stimmten größtenteils mit dem bisherigen Wissen über den Abbau von Isopren überein. Allerdings wurden dabei erstmals verschiedene C4- und C5-Produkte sowie deren Bildungspfade identifiziert. Besonders aufschlussreich war die Beobachtung der Entstehung hochoxidierter Peroxyradikale mit den Zusammensetzungen C5​H9​O8​ und C5​H9​O9​. Diese werden innerhalb weniger Sekunden durch sogenannte Autoxidationsprozesse gebildet. „Die molare Ausbeute der hochoxidierten Spezies in Abhängigkeit konkurrierender Prozesse liegt nur bei maximal 0.3 %, was erstmal vernachlässigbar erscheint“, so Dr. Torsten Berndt vom TROPOS, der die Experimente plante und durchführte. „Jedoch macht die riesige Emissionsrate an Isopren die Bildung an C5H9O8 und C5H9O9 möglicherweise sehr interessant auf absoluter Skala“ erklärt Berndt weiter.

Um die Bedeutung dieser Reaktionspfade weiter zu beurteilen, wurden diese in ein globales Chemie-Klimamodel implementiert. Die durchgeführten Modellsimulationen zeigten, dass global jährlich ca. 4 Millionen Tonnen an hochoxidierten Isopren-Peroxyradikalen (C5H9O8 und C5H9O9) gebildet werden. „Interessanterweise sind die modellierten Produktionsraten in der gleichen Größenordnung, wie die Bildung der analogen Produkte (C10H17O7 und C10H15O8,10) aus der Oxidation von α-Pinen. Dieser Bildungsweg wurde bisher als der wichtigste Prozess für die Bildung von hochoxidierten Gasphasenprodukten in der Atmosphäre angesehen“ fügen, die für die Globalmodellierung zuständigen Wissenschaftler, Dr. Erik Hoffmann und Dr. Andreas Tilgner hinzu.

Offene Fragen und potenzielle Auswirkungen hochoxidierter Isopren-Produkte

In einem weiteren Reaktionsschritt reagieren die C5​H9​O8​- und C5​H9​O9​-Radikale in der Atmosphäre hauptsächlich mit Stickstoffmonoxid (NO) und Hydroperoxyradikalen (HO2​). Die Reaktion mit NO führt bei Erhalt der chemischen C5-Struktur hauptsächlich zur Bildung der entsprechenden hochoxidierten organischen Nitrate. Die Produktbildung im Falle der Reaktion mit HO2​ ist bislang spekulativ und erfordert weitere Untersuchungen.

Abschließend betonen die Forschenden, dass die neuen Forschungsbefunde eine Reihe von Fragen aufwerfen. Die hochoxidierten Produkte des Isoprens könnten eine Vielzahl von Prozessen beeinflussen, wie beispielsweise das Wachstum atmosphärischer Aerosolpartikel und die sekundäre organische Massebildung. Diese Prozesse sind eng an wichtige Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen sowie deren globale Klima- und Strahlungseffekte gekoppelt. Daher sind noch wesentlich mehr Studien erforderlich, um die Bedeutung der neuen Oxidationspfade und der resultierenden Produkte für die Atmosphäre hinreichend zu klären.



Quelle: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V. (05/2025)


Publikation:
Berndt, T., Hoffmann, E.H., Tilgner, A. et al. Highly oxidized products from the atmospheric reaction of hydroxyl radicals with isoprene. Nat Commun 16, 2068 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-57336-1

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