Bei steigenden Temperaturen wird Kohlenstoff schneller aus Böden freigesetzt

22. Mai 2025

Eine neue Studie von Forschenden des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, widmet sich einer zentralen Frage: Wie empfindlich reagiert der in Böden gespeicherte organische Kohlenstoff auf schwankende Temperaturen und Veränderungen im Feuchtigkeitsgehalt? Weltweit enthalten Böden mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre. Daher hat die Art und Weise, wie Kohlenstoff in Böden aufgenommen und freigesetzt wird, einen maßgeblichen Einfluss auf die atmosphärischen Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Angesichts des fortschreitenden anthropogenen Klimawandels ist es entscheidend, die Empfindlichkeit des Bodenkohlenstoffs besser zu verstehen – insbesondere im Hinblick auf steigende Temperaturen oder Veränderungen im Wasserkreislauf, da der Klimawandel direkt mit der Freisetzung von Kohlenstoff aus Böden in Verbindung steht.

Tropische Böden: Kohlenstoff-Hotspots im Klimawandel

Studien haben bereits deutlich gemacht, welche Bedeutung Permafrostgebiete im Kontext des Klimawandels haben: Steigende Temperaturen führen dort zur Freisetzung von Kohlenstoff aus den ehemals gefrorenen Böden. Doch auch in subtropischen und tropischen Regionen sind beträchtliche Mengen organischen Kohlenstoffs in den Böden gespeichert. In diesen Gebieten war bislang jedoch unklar, welche Faktoren die Umsatzrate des Kohlenstoffs maßgeblich beeinflussen und verändern. „Mikroben, die das organische Material abbauen, sind im Allgemeinen unter warmen und feuchten Bedingungen aktiver, so dass der Kohlenstoffgehalt in tropischen Böden sehr schnell auf klimatische Veränderungen reagiert. Einige Studien berichten von einem Haupteinfluss der sich ändernden hydroklimatischen Bedingungen, während in anderen die Temperatur die Hauptrolle spielt“, erklärt Erstautorin Dr. Vera Meyer vom MARUM.

Ablagerungen ermöglichen Blick in die Vergangenheit

Um diesen großräumigen Prozessen genauer auf den Grund zu gehen, wählten Meyer und ihre Kollegen einen eher unkonventionellen Forschungsansatz. Anstatt direkt Böden zu untersuchen, analysierten sie das Alter organischer Stoffe, die der Nil aus den Böden seines riesigen Einzugsgebiets in den subtropischen bis tropischen Regionen Nordostafrikas bis ins östliche Mittelmeer transportiert und nahe seiner Mündung abgelagert hat. Die Proben für diese Studie stammen aus einem küstennahen marinen Sedimentkern. In diesem Kern haben sich über viele tausend Jahre hinweg Ablagerungen angesammelt, die wertvolle Hinweise auf das Alter der organischen Materialien liefern. Solche Sedimentkerne ermöglichen somit einen wesentlich längeren Blick zurück in die Erdgeschichte, in der das Klima deutlich anders war als heute und starken Veränderungen unterlag. „Das Alter des vom Nil angelieferten organischen Materials hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: wie lange lag es im Boden, und wie lange dauert der Transport im Fluss. Der Vorteil unseres Ansatzes besteht darin, dass lange Zeitskalen untersucht werden können, in diesem Fall die letzten 18.000 Jahre seit der letzten Eiszeit“, sagt Dr. Enno Schefuß, ebenfalls vom MARUM.

Klima-Überraschung: Temperatur statt Niederschlag treibt CO2-Freisetzung in Böden

Die gewonnenen Ergebnisse überraschten die Forschenden und enthüllten einen unerwarteten Zusammenhang: Die Alter des Land-Kohlenstoffs zeigten nur geringfügige Veränderungen in Reaktion auf Schwankungen im Niederschlag und den damit verbundenen Abflussmengen. Stattdessen reagierten sie stark auf Temperaturveränderungen. Besonders auffällig war, dass die Altersveränderung infolge des Temperaturanstiegs nach der letzten Eiszeit deutlich größer ausfiel als erwartet. Dies deutet darauf hin, dass die nacheiszeitliche Erwärmung den Abbau organischen Materials durch Mikroorganismen in Böden drastisch beschleunigte und eine viel stärkere Freisetzung von CO2 aus (sub-)tropischen Böden verursachte, als dies in bisherigen Kohlenstoffkreislaufmodellen prognostiziert wurde. Mit-Autor Dr. Peter Köhler vom AWI Bremerhaven sagt hierzu: „Dass die Modelle die Kohlenstofffreisetzung aus Böden so stark unterschätzen, zeigt uns, dass wir die Empfindlichkeit des Bodenkohlenstoffs in unseren Modellen überarbeiten müssen.“

Dieser Effekt trug jedoch nicht nur zum Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration zum Ende der letzten Eiszeit bei, sondern er hat auch weitreichende Konsequenzen für die Zukunft: Der Kohlenstoffumsatz im Boden wird sich bei weiterer globaler Erwärmung beschleunigen und könnte die atmosphärische CO2-Konzentration in einer bislang unterschätzten Rückkopplung weiter erhöhen.


Quelle: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen (05/2025)


Publikation:
Vera D. Meyer, Peter Köhler, Nadine T. Smit, Julius S. Lipp, Binging Wei, Gesine Mollenhauer, Enno Schefuß: Dominant Control of Temperature on (sub-)tropical soil carbon turnover. Nature Communications 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-59013-9

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