Zucker aus dem salzigen Ozean sind für einen Großteil der Eiskeime in Wolken über den abgelegenen Weltmeeren der Südhalbkugel verantwortlich

22. Juli 2025

Aktuelle Klimamodelle haben Schwierigkeiten, die Wolkenbildung über dem Südlichen Ozean korrekt abzubilden. Einem internationalen Forschungsteam ist nun ein wichtiger Durchbruch gelungen: Sie konnten zeigen, dass der Großteil der Eiskeime in der Atmosphäre dieser Region auf Zuckerverbindungen von marinen Mikroorganismen zurückgeht.
Diese organischen Partikel gelangen durch Gischt und Verdunstung aus dem Meerwasser in die Atmosphäre. Dort bewirken sie das Gefrieren von Wassertröpfchen und fördern so Wolkenbildung und Niederschläge. Die Eisbildung hat einen erheblichen Einfluss auf das Klima, da Eispartikel in Wolken Sonnenlicht stärker reflektieren als reine Wasserwolken.

Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung biologischer Quellen für die Niederschlagsbildung in abgelegenen Meeresregionen wie der Antarktis. Ein besseres Verständnis dieser sogenannten eiskeimbildenden Partikel (INPs) ist entscheidend, um Klimamodelle zu verbessern, da geringe INP-Konzentrationen in solchen Gebieten zu großen Diskrepanzen zwischen Modellsimulationen und Messungen führen.

Chemische Identität mariner Eiskeime entschlüsselt

Es ist lange bekannt, dass eisbildende Makromoleküle von marinen Mikroorganismen (wie Pilze, Einzeller oder Hefen) durch Gischt in die Atmosphäre gelangen können. Während terrestrische Quellen dieser Makromoleküle bereits spezifischen Proteinen und Polysacchariden zugeordnet werden konnten, fehlte es bislang an Wissen über die chemische Identität mariner eisbildender Makromoleküle. Dies ist nun ein wichtiger Schritt, um diese Lücke zu schließen. „Während der Polarstern-Expedition PS106 2017 hatten wir bei Proben in Arktis erhöhte Glukose-Konzentrationen beobachtet und daraus geschlossen, dass diese Glukose ein Indikator für Eiskeime im Meerwasser sein kann. Der Einfachzucker Glukose ist ein Abbauprodukt von Mehrfachzuckern. Für uns lag daher nah, dass Mehrfachzucker das fehlende Puzzleteil sein könnten“, erklärt Dr. Sebastian Zeppenfeld vom TROPOS.

Neue Erkenntnisse zur Eisbildung in südlichen Wolken: Zuckerverbindungen dominieren

Der Oberflächenfilm der Ozeane beherbergt eine Vielzahl von Mikroorganismen. Neben den bekannten Algen und Bakterien rücken nun auch marine Pilze in den Fokus der Wissenschaft. Da ihre Rolle als Eiskeime bisher kaum erforscht war, haben Forschende diese besonders untersucht und dabei neue Erkenntnisse gewonnen. „In dieser Studie untersuchten wir die Eiskeimbildung von marinen Polysacchariden, die aus marinen Pilzen und Einzeller stammen, sowie von kommerziell erhältlichen Standardpolysacchariden“, berichtet Dr. Susan Hartmann vom TROPOS.

Ein internationales Forschungsteam hat eine umfassende Datensammlung zur Eisbildung in Wolkentropfen erstellt, die Aufschluss über die Menge der Eiskeime bei verschiedenen Temperaturen und deren chemische Bestandteile gibt. Erstmals konnten Daten zu einzelligen Organismen und Pilzen aus dem Meerwasser veröffentlicht werden, die spezielle Mehrfachzucker produzieren und die Eisbildung katalysieren.

Es war bereits bekannt, dass marine Biologie eine große Anzahl an Eiskeimen in die Atmosphäre abgibt. Die neue Studie zeigt nun, dass diese Mehrfachzucker die Gesamtanzahl biologischer Eiskeime zwischen etwa -15 und -20 Grad Celsius erklären.

Ein differenziertes Bild zur Eisbildung in der unbelasteten Atmosphäre der hohen südlichen Breiten ergibt sich aus dieser und früheren Studien: In wärmeren Wolken (unter -2 °C) sind hauptsächlich Proteine verantwortlich. In mittelkalten Wolken (unter -10 °C) dominieren die neu nachgewiesenen Mehrfachzucker. Erst in sehr kalten Wolken (unter -20 °C) spielt der bekannte Mineralstaub eine Rolle. Da in der Südhemisphäre jedoch wenige Mineralstaubquellen existieren, ist dessen Bedeutung hier geringer als in der Nordhemisphäre.

Besonders relevant ist, dass Mischphasenwolken (mit Flüssigwasser und Eis) häufig im Temperaturbereich von -15 bis -20 °C liegen – genau dem Bereich, in dem die Mehrfachzucker die wichtigsten Eiskeime darstellen. Dr. Roland Schrödner vom TROPOS, der die Daten mit dem globalen Atmosphärenchemietransportmodell TM5 auswertete, fasst zusammen: „Unsere Simulationen zeigen, dass bei -15 bis -16 Grad Celsius die Mehrfachzucker über gigantischen Flächen der Ozeane in der sauberen Südhemisphäre die wohl bedeutendsten Eiskeime sind. Das ist eine neue und für die Klimamodelle wichtige Erkenntnis.“ Die Mehrfachzucker tragen somit mehr zur Eisbildung bei als der Mineralstaub, der bisher in Klimamodellen als primärer Eiskeim angenommen wurde.

Forschungskooperation enthüllt Rolle von Mehrfachzuckern

Die aktuelle Studie ist das Ergebnis jahrelanger interdisziplinärer Vorarbeiten dreier TROPOS-Forschungsgruppen: Die Mikrophysik untersuchte die Eisbildung in Wolkentropfen, die Atmosphärische Modellierung erforschte den Einfluss verschiedenster Partikelarten auf das Klima, und die Atmosphärenchemie analysierte die chemische Zusammensetzung. Die notwendigen Mehrfachzucker-Konzentrationen in der Atmosphäre wurden zuvor bei Expeditionen wie PI-ICE (Antarktis), PASCAL/PS106 (Arktis) oder MarParCloud (tropischer Atlantik) sowie auf Spitzbergen gemessen. Nur durch die Zusammenführung dieser Arbeiten konnten diese neuen Erkenntnisse zur Bedeutung von Mehrfachzuckern für die Eisbildung gewonnen werden.

Biosphäre und Atmosphäre: Neue Forschung beleuchtet ihre Kopplung

Diese Studie unterstreicht die Bedeutung natürlicher biologischer Bestandteile in der Atmosphäre und die enge Kopplung von Biosphäre und Atmosphäre im Erdsystem. Mit dem Rückgang anthropogener Emissionen durch Klimaschutzmaßnahmen werden natürliche Aerosolpartikel für die Wolkenmikrophysik zunehmend relevanter, insbesondere da Wolken in sauberer Umgebung sensibler auf Aerosolschwankungen reagieren.

Die saubere Südhemisphäre um die Antarktis ist daher ein Hotspot der Wolkenforschung. Von Juli bis Oktober 2025 untersucht die „HALO-South“-Mission des Forschungsflugzeugs HALO unter TROPOS-Leitung das Zusammenspiel von Wolken, Aerosolen und Strahlung über dem Südlichen Ozean. Ergänzend dazu erforschen Forschende des TROPOS und der Universität Leipzig die Wolken des Südlichen Ozeans im Rahmen der Kampagne „goSouth-2“. Dabei wird die mobile Aerosol- und Wolkenfernerkundungsanlage LACROS von September 2025 bis März 2027 in Neuseeland eingesetzt. Die Wissenschaftler aus Leipzig wollen in den kommenden Jahren weitere Geheimnisse der Wolken in dieser unberührteren Region lüften.

Quelle

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V. (07/2025)

Publikation

Susan Hartmann, Roland Schrödner, Brandon T. Hassett, Markus Hartmann, Manuela van Pinxteren, Khanneh Wadinga Fomba, Frank Stratmann, Hartmut Herrmann, Mira Pöhlker, and Sebastian Zeppenfeld (2025): Polysaccharides─Important Constituents of Ice-Nucleating Particles of Marine Origin. Environmental Science & Technology 2025 59 (10), 5098-5108. DOI: 10.1021/acs.est.4c08014
https://doi.org/10.1021/acs.est.4c08014

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