Zelluläre Prozesse, wie etwa ein winziger Stromstoß von Kalziumionen oder die plötzliche Kontraktion von Herzmuskelzellen, laufen in atemberaubender Geschwindigkeit ab. Solche Vorgänge im Detail sichtbar zu machen, galt lange als eine große Herausforderung der modernen Mikroskopie, da die Beobachtung umso unschärfer wird, je schneller man versucht zu messen. Ein internationales Team unter der Leitung der Universität Osaka hat diesen Widerspruch nun aufgelöst: Sie stellten die Methode der zeitlich deterministischen Kryo-Optischen Mikroskopie vor. Dabei werden lebende Zellen während der Beobachtung unter dem Mikroskop in nur Millisekunden eingefroren. Dies ermöglicht es, ein hochaufgelöstes und quantitativ genaues „Standbild“ dynamischer Prozesse festzuhalten.
Beitrag aus Jena: Rekonstruktionssoftware für 3D-Einblicke
Prof. Rainer Heintzmann vom Leibniz-IPHT trug maßgeblich zur Methode bei, indem er seine Expertise in der strukturierten Beleuchtung einbrachte. Diese spezielle Mikroskopietechnik projiziert ein feines Lichtmuster auf die zu untersuchende Probe. Aus den daraus resultierenden Aufnahmen lassen sich optische Schnitte rekonstruieren, welche wiederum eine dreidimensionale, hochaufgelöste Darstellung der Zellstrukturen ermöglichen.
Für die Auswertung der mit dieser Technik gewonnenen komplexen Daten stellte Heintzmann zudem eine von ihm entwickelte Software für die dreidimensionale Rekonstruktion zur Verfügung. Diese Software erzeugt aus den Rohdaten plastische 3D-Bilder, die Zellstrukturen und molekulare Vorgänge mit außergewöhnlicher Schärfe sichtbar machen. Zusätzlich unterstützte Prof. Heintzmann das Team unmittelbar bei der Datenanalyse im Rahmen seines Forschungsaufenthalts in Osaka.
„Die Kombination unserer Rekonstruktionssoftware mit der neuen Kryo-Methode eröffnet faszinierende Einblicke in Zellprozesse, die bislang unscharf oder gar unsichtbar blieben“, so Heintzmann.
Perspektiven für die Lebenswissenschaften
Die Forschenden in Osaka demonstrierten die Leistungsfähigkeit der neuen Technik, indem sie unter anderem die Ausbreitung einer Kalziumwelle in Herzmuskelzellen quasi im Bild einfroren. Solche hochauflösenden Aufnahmen erlauben es, schnelle biologische Vorgänge im Detail zu untersuchen, und zwar mit einer beeindruckenden zeitlichen Genauigkeit im Bereich von zehn Millisekunden. Diese innovative Methode könnte künftig weitreichende Anwendungen in der biomedizinischen Forschung finden. Mögliche Einsatzbereiche sind beispielsweise die Untersuchung der Entstehung von Herzrhythmusstörungen, die Aufklärung des Ablaufs von Signalkaskaden in Nervenzellen oder die detaillierte Beobachtung der molekularen Auswirkungen von Medikamenten.
Quelle
Leibniz-Institut für Photonische Technologien e. V. (10/2025)
Publikation
Tsuji, K., Yamanaka, M., Kumamoto, Y. et al. Time-deterministic cryo-optical microscopy. Light: Science & Applications 14, 275 (2025). https://doi.org/10.1038/s41377-025-01941-8