Wie Immunzellen ihre tödliche Fracht abliefern

22. Oktober 2025

Immunzellen wie Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und T-Zellen benötigen höchste Präzision, um infizierte oder entartete Zellen gezielt zu eliminieren. Dies erreichen sie durch die Freisetzung von hochgiftigen Partikeln, den sogenannten zytotoxischen Granula. Wie genau dieser Freisetzungsmechanismus funktioniert, beleuchtet nun eine neue Studie eines Forschungsteams des CeMM, der St. Anna Kinderkrebsforschung, der MedUni Wien, der Med Uni Graz, des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn. Die Arbeit beschreibt eine unerwartete Verbindung zwischen dem Fettstoffwechsel und der Fähigkeit des Immunsystems, seine tödliche Fracht zielgenau abzugeben.

Diese Entdeckung liefert gleichzeitig neue Einblicke in verschiedene Erkrankungen, die auf genetische Defekte zurückzuführen sind. Das Immunsystem stützt sich auf diese spezialisierten Zellen, um Viren oder Krebszellen aufzuspüren und zu zerstören, indem sie diese mit toxischen Molekülen gefüllten Granula freisetzen und damit die Zielzellen abtöten. Obwohl durch die Untersuchung von Immunerkrankungen bereits einige Schlüsselmoleküle identifiziert wurden, sind viele weitere Moleküle, die für diesen präzisen Freisetzungsmechanismus notwendig sind, bisher noch unbekannt.

Lipide sichern die Präzision: Wie Immunzellen Viren und Krebs ausschalten

Ein internationales Forschungsteam um Kaan Boztug (MedUni Wien, St. Anna Kinderkrebsforschung) und Artem Kalinichenko (Universität Graz) sowie Jakob Huemer legte in seiner aktuellen Arbeit eine Entdeckung vor, die das Verständnis der Immunabwehr grundlegend erweitert. Mithilfe von CRISPR-basierten Analysemethoden stellten die Wissenschaftler fest, dass eine überraschende Gruppe von Genen eine zentrale Rolle bei der Freisetzung zytotoxischer Granula in menschlichen Natürlichen Killer- (NK-) und T-Zellen spielt.

Überraschenderweise stehen viele dieser Gene in direktem Zusammenhang mit dem zellulären Lipidstoffwechsel. Das Team konnte zeigen, dass bestimmte Lipide essenziell dafür sind, wichtige Proteine für die kontrollierte Granulafreisetzung an ihren korrekten Bestimmungsort innerhalb der Immunzellen zu bringen, wodurch das präzise Ausschalten infizierter oder entarteter Zellen sichergestellt wird. Dieser wissenschaftliche Durchbruch verbessert nicht nur das Verständnis der Immunzellfunktion, sondern liefert auch neue Erkenntnisse über Krankheiten, die durch genetische Defekte verursacht werden, wie beispielsweise seltene neurologische Störungen oder angeborene Immundefekte.

Grundstein für neue Therapien: Entdeckung genetischer Steuerung der T- und NK-Zellen

„Durch die systematische Erforschung genetischer Signalwege und die Kombination von funktioneller Genomik mit mechanistischen Folgeuntersuchungen haben wir eine neue Gruppe von Genen entdeckt, die die Funktionsweise von T- und NK-Zellen steuern und sowohl virusinfizierte Zellen als auch Tumorzellen abtöten“, sagt Ko-Erstautor Artem Kalinichenko. „Diese Erkenntnisse können helfen, genetische Erkrankungen besser zu diagnostizieren – und langfristig den Weg zu neuen Therapien eröffnen.“

„Es ist faszinierend zu sehen, dass Moleküle, die ursprünglich aus der Neurobiologie bekannt sind und mit dem Fettstoffwechsel und der Fettmodifikation in Verbindung stehen, auch für einen bestimmten Mechanismus der Immunabwehr von entscheidender Bedeutung sind“, ergänzt Jakob Huemer, ebenfalls Ko-Erstautor der Studie. „Unsere Ergebnisse werfen neue Fragen darüber auf, wie gemeinsame zelluläre Signalwege sehr unterschiedliche biologische Systeme beeinflussen.“

„Diese Arbeit zeigt, welches Potential in gemeinschaftlicher, von Neugier getriebener Forschung steckt“, fasst der leitende Autor Kaan Boztug zusammen. „Wir konnten einen völlig unerwarteten Zusammenhang zwischen der Lipidbiologie und der Funktion von Immunzellen aufdecken und damit scheinbar unabhängige biologische Prozesse miteinander verknüpfen. Diese Erkenntnisse werden uns dabei helfen, die Diagnose von Patient:innen mit seltenen Immundefekten zu verbessern, und sind auch für die zukünftige Entwicklung von Ansätzen zur Krebsimmuntherapie relevant.“

Diese Studie, die in enger internationaler Zusammenarbeit mit Forschungsteams aus Österreich, Frankreich, Schweden und Finnland entstand, markiert einen wichtigen Fortschritt für das Verständnis, wie der menschliche Körper Infektionen und Krebs bekämpft.

Quelle

Universitätsklinikum Bonn (10/2025)

Publikation

Protein palmitoylation and sphingolipid metabolism control regulated exocytosis in cytotoxic lymphocytes
Science Immunology
DOI: 10.1126/sciimmunol.ado3825
https://www.science.org/doi/10.1126/sciimmunol.ado3825

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