Obwohl Papierverpackungen eine nachhaltige Alternative zu Plastik darstellen, weisen sie den Nachteil auf, dass sie luftdurchlässig sind. Infolgedessen können darin verpackte Lebensmittel im Laufe der Zeit Aroma verlieren, und unerwünschte Substanzen wie Lösungsmittel können in das Verpackungsinnere gelangen. Bisher waren zur Bestimmung des Ausmaßes und der Geschwindigkeit dieses Vorgangs für jede Papiersorte aufwendige Versuche erforderlich. Ein Forschungsteam um Karin Zojer von der TU Graz hat nun ein KI-basiertes Vorhersagesystem entwickelt, das berechnen kann, wie durchlässig verschiedenste Papiersorten für flüchtige organische Substanzen sind. Dieses Tool, das im Rahmen des CD-Labors für Stofftransport durch Papier entstand und bereits bei einem Papierhersteller eingesetzt wird, ermöglicht eine deutliche Beschleunigung der Entwicklung neuer Verpackungsmaterialien.
Laborversuche als Basis
Das Vorhersagesystem basiert zunächst auf detaillierten Analysen der Mikrostruktur verschiedener Papiersorten, wobei das Team die Verteilung der Cellulosefasern und die Größe der Poren exakt erfasste. Im zweiten Schritt folgten monatelange Laborversuche: Mithilfe der Gas-Chromatographie bestimmten die Forschenden, wie schnell flüchtige organische Substanzen durch die unterschiedlichen Papiersorten hindurchdiffundieren. „Mit diesen klassischen Methoden sind wir aber an unsere Grenzen gestoßen“, sagt Karin Zojer. „Die Kombinationsmöglichkeiten von Papiersorten und flüchtigen Substanzen sind riesig und die Versuche viel zu zeitaufwändig, um daraus ein umfassendes Vorhersagemodell zu entwickeln.“
Neuronales Netzwerk mit physikalischen Gesetzen kombiniert
Der eigentliche Durchbruch gelang den Forschenden durch den Einsatz sogenannter Physics-informed Neural Networks. Diese spezielle Variante des maschinellen Lernens integriert zusätzlich zu den Trainingsdaten auch physikalische Gesetzmäßigkeiten in ihre Berechnungen. Dies versetzt die KI in die Lage, selbst bei weniger Trainingsdaten Muster zu erkennen und präzise Vorhersagen zu treffen. Speziell implementierten Karin Zojer und ihr Team der KI unter anderem die Information, dass flüchtige organische Substanzen auf ihrem Weg durch die Papierverpackung teilweise an den Cellulosefasern haften bleiben. „Solche Gesetzmäßigkeiten verengen den Korridor möglicher Lösungen für die Berechnungen, die das Neuronale Netzwerk durchführt und optimiert“, sagt Karin Zojer. „Wir haben die Ergebnisse unserer KI anschließend in Experimenten für ein- und mehrlagige Papiere überprüft und waren selbst überrascht, wie gut dieses Vorhersagemodell funktioniert.“
Der am CD-Labor beteiligte Papierhersteller Mondi Uncoated Fine & Kraft Paper setzt die entwickelte Software bereits ein, um die geeigneten Papiersorten für spezifische Anwendungen auszuwählen. Zukünftig plant Karin Zojer, das System weiter zu optimieren. Dabei soll beispielsweise berücksichtigt werden, wie sich die Durchlässigkeit des Papiers verändert, wenn die Fasern Lösungsmittel aufnehmen und infolgedessen aufquellen.