Um verbesserte Elektrolyseure für die regenerative Wasserstoffherstellung entwickeln zu können, ist ein präzises Verständnis der Prozesse an den Oberflächen der verwendeten Metallelektroden unerlässlich. Forschende der Theorieabteilung am Fritz-Haber-Institut konnten nun nachweisen, dass bereits ein minimales Übergreifen der Metallelektronen in die wässrige Elektrolytumgebung genügt, um die Energiespeicherkapazität um mehr als das Zehnfache zu steigern. Nur wenn Computersimulationen diesen quantenmechanischen Effekt berücksichtigen, können sie zuverlässig zur Untersuchung vielversprechender neuer Elektrolyseurmaterialien eingesetzt werden.
Effizienzschub für die Wasserstofferzeugung: Der Schlüssel liegt im Materialverständnis
Die elektrochemische Erzeugung von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen ist eine der tragenden Säulen für eine zukünftige nachhaltige Energiespeicherung. Bislang sind die Elektrodenmaterialien in den dafür genutzten Elektrolyseuren jedoch entweder nicht effizient genug für diese chemischen Umwandlungsprozesse oder sie korrodieren zu schnell. Die Suche nach geeigneteren, aktiveren und/oder langlebigeren Materialien ist daher ein hochaktives Forschungsfeld. Der Einsatz moderner Computersimulationen könnte in diesem Bereich eine entscheidende Rolle spielen, indem sie langwierige und aufwändige Experimente ergänzen. Dies würde maßgeblich dazu beitragen, die dringend benötigten langen Forschungs- und Entwicklungszyklen zu verkürzen.
Die Herausforderung der Kapazitätslücke in der Elektrodensimulation
Computersimulationen können ihr volles Potenzial nur entfalten, wenn sie die realen Systeme zuverlässig abbilden. Um chemische Umwandlungen korrekt zu erfassen, müssen diese Simulationen bis ins Detail der atomaren Struktur reichen. Hier gibt es jedoch auch nach Jahren intensiver Forschung noch ungelöste Probleme. Ein seit Langem bekanntes Defizit ist die Unfähigkeit bisheriger atomar aufgelöster Simulationen, die experimentell bestimmte Kapazität selbst einer vergleichsweise einfachen, aber prototypischen Modellelektrode korrekt wiederzugeben. Die für diese definierte Einkristalloberfläche von Platin berechnete Kapazität – also das intrinsische Speichervermögen – war stets um mindestens den Faktor zehn zu niedrig.
Quantenmechanischer Effekt erklärt Kapazitätsproblem bei Elektrodensimulationen
Forschende der Theorieabteilung des Fritz-Haber-Instituts konnten nun ein langjähriges Problem in der Simulation von Elektrodenkapazitäten lösen. Sie führten die Diskrepanz zwischen simulierten und experimentellen Werten auf die klassische Natur der bisher eingesetzten Simulationstechniken zurück. Lang Li, Erstautorin der Studie, erklärt dazu: „Mit klassisch ist gemeint, dass bisher quantenmechanische Effekte nicht explizit in den Simulationen berücksichtigt wurden.“
In aufwändigen Simulationen, die diese Effekte einbeziehen, konnten Li und das Team um Dr. Nicolas Hörmann die experimentellen Werte vollständig bestätigen. Ihre Analysen zeigten insbesondere, dass die Elektronen von der Oberfläche der Platinelektrode zu einem gewissen Teil in die ersten Wasserschichten der umgebenden Elektrolytschicht eindringen. Es ist genau diese Ausdehnung der Elektronendichte, die die Kapazität so deutlich erhöht.
Mit diesem Wissen können zukünftige Computersimulationen für vielversprechende neue Elektrodenmaterialien nun gezielt verbessert werden. Ein Weg könnten Verfahren des maschinellen Lernens sein, die diesen sogenannten Elektronenüberschwap („electron spillover“) nach geeignetem Training an aufwändigen quantenmechanischen Daten effektiv in die effizienteren klassischen Simulationen einfließen lassen.
Quelle
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft (06/2025)