Warum Pflanzen beschädigte DNA so schnell reparieren

30. Mai 2025

Forschende haben eine entscheidende Rolle der schnellen DNA-Reparatur für die Aufrechterhaltung der Genomstabilität entdeckt. Eine neue Studie zeigt, dass die Reparatur von Doppelstrangbrüchen (DSBs) in der Kern-DNA einen wirksamen Schutz gegen die Integration fremder DNA aus Chloroplasten darstellt – ein Phänomen, das zwar für die Evolution wichtig ist, aber das Genom stark destabilisieren kann. Die Forschung erweitert unser Wissen über die Evolution pflanzlicher Genome und ist zugleich für die Medizin von Bedeutung.

Die Ergebnisse beleuchten den endosymbiotischen Gentransfer (EGT) – einen fortlaufenden evolutionären Prozess, bei dem Gene aus Organellen wie Chloroplasten und Mitochondrien in das Kerngenom übergehen. Zwar kann ein erfolgreicher Gentransfer die Zusammenarbeit zwischen Zellkern und Organellen verbessern, doch birgt der Vorgang auch erhebliche Risiken: Eingefügte DNA kann essenzielle Gene im Zellkern stören und zu schädlichen genomischen Umstrukturierungen führen.

Schnelle DNA-Reparatur als Schutzschild für das Genom

Das Forschungsteam hat herausgefunden, dass der Mechanismus zur Reparatur von Doppelstrangbrüchen (DSBs) eine entscheidende Rolle bei der Regulierung der Häufigkeit des endosymbiotischen Gentransfers (EGT) spielt. Um zu verstehen, wie Pflanzen diesen Prozess steuern, konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die bekannten DSB-Reparaturpfade, die als Eintrittspforten für organelläre DNA dienen können.

Mithilfe gentechnisch veränderter Tabakpflanzen und eines bereits entwickelten Screening-Systems für EGT-Ereignisse schalteten sie gezielt zwei verschiedene DSB-Reparaturmechanismen aus. Anschließend analysierten sie über 650.000 Keimlinge auf neue EGT-Ereignisse. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Die Deaktivierung nur eines der beiden Reparaturwege führte zu einem dramatischen Anstieg der Genübertragungen von Chloroplasten in den Zellkern – in einigen Fällen sogar um das 20-Fache.

Neues Modell erklärt DNA-Integration in Pflanzengenome

Zur Erklärung ihrer Beobachtungen schlagen die Forschenden ein neues Modell vor: Unter normalen Bedingungen reparieren Pflanzen Doppelstrangbrüche (DSBs) in ihrer Kern-DNA zügig. Dadurch werden die empfindlichen Stellen versiegelt, bevor organelläre DNA eindringen kann. Der Reparaturmechanismus fungiert somit wie ein molekularer „Torwächter“. Ist jedoch ein Reparaturweg gestört, können andere Mechanismen dies zwar teilweise kompensieren, der Gesamtprozess verläuft jedoch langsamer. Diese verlängerte Reparaturzeit führt dazu, dass DSBs länger offenbleiben, was die Wahrscheinlichkeit für die Integration von Chloroplasten-DNA erhöht. Die Folge ist ein Anstieg von endosymbiotischen Gentransfer-Ereignissen (EGT-Ereignissen), die häufig mit genomischen Umlagerungen und einer erhöhten Instabilität einhergehen. „Das Ausmaß des Effekts zeigt, dass eine schnelle DNA-Reparatur für Pflanzen essenziell ist, um die langfristige Stabilität ihres Genoms zu sichern“, erklärt Dr. Enrique Gonzalez-Duran, Erstautor der Studie.

Implikationen über die Welt der Pflanzen hinaus

Obwohl die Experimente an Tabakpflanzen durchgeführt wurden, geht das Team davon aus, dass der entdeckte Mechanismus auf alle Eukaryoten übertragbar sein könnte. „Diese DNA-Reparaturwege sind bei Tieren und Pilzen konserviert“, sagt Prof. Dr. Ralph Bock, Direktor des Instituts und Mitautor. „Unsere Ergebnisse könnten ähnliche Mechanismen der Genominstabilität in anderen Organismen, einschließlich des Menschen, erklären. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um dies zu klären.“

Diese Forschung eröffnet neue Perspektiven darauf, wie organelläre DNA zur Entstehung von Mutationen im Zellkern beitragen kann. Sie könnte zudem für die menschliche Gesundheit von Bedeutung sein – insbesondere in der Krebsbiologie, wo die Integration von mitochondrialer DNA und genomische Instabilität als molekulare Auslöser für die Tumorentstehung bekannt sind.

„Unsere Entdeckung liefert grundlegende Erkenntnisse über den Schutz des Genoms und die Risiken des Gentransfers“, fügt Gonzalez-Duran hinzu. „Sie zeigt, wie wichtig eine schnelle DNA-Reparatur ist – nicht nur, um Schäden zu beheben, sondern auch, um die Integrität des Erbguts aktiv zu verteidigen.“


Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie (05/2025)


Publikation:
Enrique Gonzalez-Duran, Xenia Kroop, Anne Schadach, Ralph Bock
Suppression of plastid-to-nucleus gene transfer by DNA double-strand break repair
Nat. Plants (2025)
DOI: https://doi.org/10.1038/s41477-025-02005-w

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