Röntgenstrahlen decken Ursache für den Verfall von grünem Farbpigment in alten Gemälden auf

27. November 2025

Ein internationales Forschungsteam hat durch umfassende Analysen die Ursache für die Zersetzung eines der am häufigsten verwendeten Pigmente renommierter Maler des 19. und 20. Jahrhunderts aufgedeckt. Die Wissenschaftler nutzten dabei verschiedene hochmoderne Untersuchungsmethoden, einschließlich Techniken an den leistungsstarken Lichtquellen ESRF in Frankreich und PETRA III bei DESY in Hamburg. Ihre Erkenntnisse zeigen, dass Licht und Feuchtigkeit die Meisterwerke im Laufe der Zeit schädigen. Basierend auf diesen Befunden schlägt das Team eine spezifische Strategie zum Schutz und zur Überwachung dieser Kunstwerke vor.

Smaragdgrün: Brillanz, Verfall und Gefahr

Die zweite industrielle Revolution im 19. Jahrhundert revolutionierte durch chemische Fortschritte die Kunst mit neuen synthetischen Pigmenten. Eines davon war das leuchtende Kupferarsenit-Pigment „Smaragdgrün“, das wegen seiner Intensität von Malern wie Cézanne, Monet, Van Gogh, Munch und Delaunay geschätzt wurde. Obwohl es hochgiftig war, bemerkten einige Künstler, darunter Van Gogh, zunächst nur dessen Veränderung im Laufe der Zeit: Das Pigment verlor seine Brillanz, bildete Risse und verformte die Bildoberfläche.

Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass der Zerfall von Smaragdgrün auf die chemische Instabilität des Pigments unter Einwirkung von Licht, Feuchtigkeit und bestimmten atmosphärischen Gasen zurückzuführen ist. Diese Bedingungen können Reaktionen auslösen, bei denen Arsenverbindungen freigesetzt werden, die Farbe sich verändert oder dunkle Kupferoxide entstehen. „Es war bereits bekannt, dass Smaragdgrün mit der Zeit zerfällt, aber wir wollten genau verstehen, welche Rolle Licht und Feuchtigkeit bei dieser Zersetzung spielen“, erklärt Letizia Monico. Die zentrale Absicht der Studie ist es, die Erhaltungsstrategien für die Meisterwerke, die dieses Pigment enthalten, zu optimieren und neue Überwachungsmethoden für deren Zustand zu entwickeln.

Multiskalige Analyse des Pigmentzerfalls

Um die Forschungsziele zu erreichen, führte das Team eine umfassende, multiskalige Untersuchung von Farbmustern, historischen Gemälden und Mikroproben durch. Die Analyse begann mit einer nicht-invasiven In-situ-Makroanalyse des berühmten Ölgemäldes „Die Intrige“ (1890) von James Ensor. Ziel war es, die Zusammensetzung und den Zustand der grünen Farbschichten zu bewerten und die optimalen Stellen für die Probenentnahme zu bestimmen.

Basierend auf den Daten der Universität Antwerpen wurden Mikroproben des grünen Pigments entnommen und anschließend zu den Synchrotron-Lichtquellen ESRF in Frankreich und PETRA III bei DESY in Hamburg gebracht. Dort nutzte das Team die erzeugten Röntgenstrahlen und führte mikroskalige Röntgenanalysen an mehreren Strahlführungen durch (einschließlich P06 bei PETRA III).

Abschließend kombinierten die Forschenden diese Ergebnisse mit Daten aus einer makro- und mikroskaligen lichtbasierten Analyse von künstlich gealterten Ölfarbenmodellen und historischen Farben, wozu auch eine Ölfarbentube des Malers Edvard Munch gehörte. Die im Labor hergestellten Farbmodelle, welche die Zusammensetzung von Ensors Gemälde nachahmten, waren entscheidend für die Entdeckung, dass Licht und Feuchtigkeit unterschiedliche Alterungsprozesse bei Smaragdgrün in Ölfarben auslösen.

Die Forschenden stellten fest, dass Feuchtigkeit primär die Bildung von Arsenolith fördert, einer kristallinen Verbindung, die die Farbe spröde macht und zum Abblättern neigen lässt. Licht hingegen verursacht die Oxidation der Arsenverbindung, was zu einer dünnen weißlichen Schicht führt. Diese Schicht lässt die Farbe matt erscheinen und ähnelte am stärksten den degradierten Pigmenten in Ensors „Die Intrige“, die mittels Synchrotronstrahlung an ESRF und PETRA III analysiert wurden.

Strategien zur Überwachung und Erhaltung

„Diese Ähnlichkeiten stützen die Schlussfolgerung, dass die photooxidative Zersetzung durch Licht das ursprüngliche Smaragdgrün von „Die Intrige“ verändert hat“, sagt Geert Van der Snickt. Auf Basis ihrer Forschungsergebnisse entwickelte das Team eine konkrete Strategie für Museen, um den Erhaltungszustand von Smaragdgrün-Farben in Kunstwerken zu erkennen und aktiv zu überwachen. Dabei können Mikro-Röntgen- und Infrarotanalysen die spezifischen Abbauprodukte zuverlässig nachweisen und so die traditionelleren kolorimetrischen Beobachtungen ergänzen. Darüber hinaus demonstrierten die Forschenden eine praktische, nicht-invasive Technik für den direkten Einsatz in Museen: die externe Reflexions-Infrarotspektroskopie. Diese Methode ist besonders empfindlich für die Infrarotsignale von Abbauprodukten, die oxidiertes Arsen enthalten. Sie ermöglicht es Restauratorinnen und Restauratoren, veränderte und potenziell gefährdete Bereiche der Farbe im Makrobereich schnell zu identifizieren.

Das Team wurde von SCITEC-CNR und dem Fachbereich Chemie, Biologie und Biotechnologie der Universität Perugia in Italien geleitet und bestand aus Wissenschaftler:innen von ESRF, DESY und der Universität Antwerpen.

Quelle

Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) (11/2025)

Publikation

Marri et al., „Discovering the Dual Degradation Pathway of Emerald Green in Oil Paints: the Effects of Light and Humidity“, Science Advances, 2025.
DOI:10.1126/sciadv.ady1807
https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.ady1807

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