Umfassender „Katalog“ bedenklicher Chemikalien in Kunststoffen – und Wege zu sichereren Polymeren

15. Juli 2025

Aktuell verhandeln Länder weltweit über ein globales Abkommen, um die Plastikverschmutzung einzudämmen und Kunststoffe sicherer und nachhaltiger zu gestalten. In diesem Zusammenhang liefert eine aktuelle Studie erstmals einen umfassenden und systematischen Überblick über alle potenziell in Kunststoffen enthaltenen Chemikalien, deren Eigenschaften, Verwendungszwecke und damit verbundene Gefahren. Darüber hinaus stellt die Studie einen wissenschaftlichen Ansatz zur Identifizierung bedenklicher Chemikalien bereit. Dies ist entscheidend, um Wissenschaftlern und Herstellern die Entwicklung sichererer Kunststoffe zu ermöglichen und politischen Entscheidungsträgern den Weg für die Förderung einer ungiftigen Kreislaufwirtschaft zu ebnen.

Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, doch die darin enthaltenen Chemikalien geben Anlass zur Sorge. Jedes Kunststoffprodukt, sei es eine Lebensmittelverpackung oder ein Autoreifen, enthält Hunderte von Chemikalien. Diese können sich mit der Zeit lösen und in unsere Nahrung, unsere Wohnräume und schließlich in die Umwelt gelangen. Viele dieser Chemikalien sind schädlich für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Das Problem ist jedoch, dass es bisher keinen vollständigen Überblick über all diese Substanzen gibt. Das schränkt unsere Möglichkeiten erheblich ein, Mensch und Umwelt effektiv vor diesen gefährlichen Kunststoffchemikalien zu schützen. „Kunststoffe sollten eigentlich gar keine schädlichen Chemikalien enthalten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass sie einerseits absichtlich verwendet werden oder aber unbeabsichtigt in allen Arten von Kunststoffen vorhanden sind“, sagt Martin Wagner, Hauptautor der Studie und Professor an der „Norwegian University of Science and Technology“ (NTNU) in Trondheim. „Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Kunststoffe sicherer zu machen.“

Die globale „Plastosphäre“ enthält mehr als 16’000 Chemikalien

Eine neue Studie eines internationalen Forscherteams, an der auch die Empa und die Eawag beteiligt waren, hat gezeigt, dass Kunststoffe weit mehr Chemikalien enthalten als bisher angenommen. Die begleitende „PlastChem“-Datenbank (https://plastchem-project.org/) listet insgesamt 16.325 Chemikalien auf. Davon konnten die Wissenschaftler mindestens 4.200 Kunststoffchemikalien identifizieren, die aufgrund ihrer Gefahren für Gesundheit und Umwelt als bedenklich gelten. „Es mag entmutigend erscheinen, sich mit der grossen Anzahl problematischer Kunststoffchemikalien auseinanderzusetzen, aber unsere Studie liefert die Werkzeuge dafür“, sagt Zhanyun Wang, Mitautor der Studie und Wissenschaftler an der Empa. „Die chemische Zusammensetzung der Polymere zu vereinfachen ist dabei eine Voraussetzung für den Übergang zu einer sicheren und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe.“

Die identifizierten bedenklichen Chemikalien können in allen wichtigen Kunststoffarten vorkommen, einschliesslich Lebensmittelverpackungen. Alle getesteten Kunststoffe können gefährliche Chemikalien freisetzen. Ksenia Groh, Mitautorin und Gruppenleiterin für Bioanalytik an der Eawag, erklärt: „Kunststoffe können unbekannte Substanzen wie Verunreinigungen, Fremdstoffe oder Abbauprodukte enthalten und freisetzen. Die Toxizität der aus Kunststoffen freigesetzten Chemikalien kann mithilfe von Bioassays bewertet werden, einer praktischen Alternative zur chemischen Analyse. Dieser vielversprechende Ansatz muss weiterentwickelt werden, um in Zukunft breitere Anwendung zu finden.“

Wege zu sichereren und nachhaltigeren Polymeren

Die neue Studie beleuchtet drei zentrale Bereiche, um Kunststoffe sicherer und nachhaltiger zu gestalten: sicherere Chemikalien, Transparenz und chemisch einfachere Kunststoffe. Zunächst sollten bekannte bedenkliche Chemikalien aus Kunststoffen entfernt werden. Dies kann entweder durch freiwillige Maßnahmen der Industrie oder durch entsprechende gesetzliche Vorschriften geschehen. Ein großes Problem ist die derzeitige mangelnde Offenlegung durch die Industrie, welche Chemikalien in welchen Kunststoffprodukten enthalten sind. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass hier mehr Transparenz geschaffen wird. Schließlich sollten Kunststoffe so weiterentwickelt werden, dass sie weniger Chemikalien enthalten.
Die Sicherheit dieser verbleibenden Chemikalien muss zudem im Vorfeld gründlich geprüft werden, insbesondere wenn die Kunststoffe später wiederverwendet oder recycelt werden sollen. „Es gibt aktuell eine grosse Dynamik, Kunststoffe sicherer zu machen. Unsere Studie liefert die wissenschaftliche Basis, um dieses Ziel zu erreichen und die menschliche Gesundheit und die Umwelt besser vor bedenklichen Chemikalien in Kunststoffen zu schützen“, so Laura Monclús, eine weitere Hauptautorin der Studie und Forscherin am „Norwegian Geotechnical Institute“ (NGI) in Trondheim.

„PlastChem“-Datenbank

Quelle

Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (07/2025)

Publikation

L Monclús, HPH Arp, KJ Groh, A Faltynkova, ME Løseth, J Muncke, Z Wang, R Wolf, L Zimmermann, M Wagner; Mapping the chemical complexity of plastics; Nature (2025); DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09184-8

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