Forschenden der Charité und des Max Delbrück Centers ist es gelungen, den nur wenige Millisekunden dauernden Moment der Neurotransmitter-Ausschüttung mikroskopisch festzuhalten. In diesem für die Gehirnfunktion entscheidenden Prozess verschmelzen winzige, mit Botenstoffen gefüllte Vesikel mit der Zellmembran und geben ihren Inhalt in den synaptischen Spalt ab, damit die Signale an die nächste Nervenzelle weitergeleitet werden können. Das Team um Prof. Christian Rosenmund konnte diesen flüchtigen Vorgang nun erstmals in präzisen Bildern sichtbar machen.
Punktförmige Verbindungen
Bisher war der genaue Ablauf der Verschmelzung von synaptischen Vesikeln mit der Zellmembran unbekannt, doch neue Experimente an Mäuse-Neuronen liefern nun detaillierte Einblicke. „Niemand wusste bisher, wie die Fusion der synaptischen Vesikel mit der Zellmembran im Detail abläuft“, sagt die Erstautorin Dr. Jana Kroll. Die Untersuchungen zeigten, dass der Prozess mit einer punktförmigen Verbindung beginnt. „Dieser winzige Stiel erweitert sich dann zu einer Pore, durch die die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt gelangen“, erläutert Jana Kroll weiter. Dank einer fünfjährigen Entwicklungsarbeit konnte das Team den Vorgang nahezu unter natürlichen Bedingungen beobachten.
„Mithilfe der über fünf Jahre hinweg entwickelten Technologie ist es zum ersten Mal gelungen, Synapsen bei der Arbeit zuzusehen, ohne sie dabei zu stören“, betont Christian Rosenmund den Erfolg des Projekts.
Schockgefroren in Ethan
Zur Beobachtung der Synapsen in Echtzeit nutzten die Forschenden optogenetisch veränderte Nervenzellen von Mäusen, die auf ein Lichtsignal hin sofort Neurotransmitter ausschütten. Unmittelbar nach der Aktivierung wurden die Neuronen innerhalb von ein bis zwei Millisekunden in minus 180 Grad Celsius kaltem Ethan schockgefroren. „Alle zellulären Vorgänge stehen bei diesem Verfahren, dem Plunge Freezing, sofort still und können elektronenmikroskopisch sichtbar gemacht werden“, erläutert Jana Kroll. Bei der Analyse entdeckten die Wissenschaftler:innen zudem eine effiziente Nachschub-Struktur.
„Wir konnten erkennen, dass die meisten der fusionierenden Vesikel über kleine Filamente mit mindestens einem weiteren Vesikel verbunden sind – sobald ein Vesikel mit der Zellmembran verschmilzt, steht schon das nächste bereit“, berichtet Jana Kroll. Diese Entdeckung führt zu einer neuen Hypothese über die Ausdauer der neuronalen Kommunikation: „Wir gehen davon aus, dass diese direkte Form der Vesikel-Rekrutierung es ermöglicht, dass Neurone auch über einen längeren Zeitraum hinweg Signale senden und so ihre Kommunikation aufrechterhalten können.“
Epilepsien besser behandeln
Die Visualisierung der Vesikelfusion liefert entscheidende Erkenntnisse über einen Prozess, der im menschlichen Gehirn millionenfach pro Minute abläuft. Dieses Detailwissen ist insbesondere für die Medizin von großer Bedeutung. „Bei vielen Menschen mit Epilepsie oder anderen Erkrankungen der Synapsen sind Mutationen in Proteinen bekannt, die an der Vesikelfusion beteiligt sind“, erklärt Christian Rosenmund. „Wenn wir die genaue Rolle dieser Proteine aufdecken, können wir leichter zielgerichtete Therapien für solche Synaptopathien entwickeln.“
Die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Methode reichen dabei weit über die Neurowissenschaften hinaus. „Der vor uns vorgestellte Ansatz für eine zeitaufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie mittels Licht ist zudem nicht auf Neurone beschränkt, sondern lässt sich in vielen Bereichen der Struktur- und Zellbiologie anwenden“, ergänzt Jana Kroll. Die Forscherin plant nun, ihre Arbeit am Max Delbrück Center mit aus Stammzellen gewonnenen menschlichen Neuronen fortzusetzen. Dies stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar: „Die Zellen benötigen im Labor rund fünf Wochen, bis sie erste Synapsen entwickeln, und sind dabei extrem empfindlich.“
Quelle
Charité – Universitätsmedizin Berlin (12/2025)
Publikation
Kroll J et al. Dynamic nanoscale architecture of synaptic vesicle 2 fusion in mouse hippocampal neurons. Nat Comm 2025 13. doi: 10.1038/s41467-025-67291-6
https://www.nature.com/articles/s41467-025-67291-6