Struktur von Clusterin entschlüsselt: Neue Einblicke in die Funktionsweise eines Risikofaktors für Alzheimer

9. September 2025

Forschende des Max-Planck-Instituts für Biochemie haben die Funktion des Proteins Clusterin entschlüsselt, das mit einem erhöhten Risiko für die spät einsetzende Alzheimer-Krankheit (LOAD) in Verbindung gebracht wird. Clusterin, ein Glykoprotein, das im Blut und in der Gehirnflüssigkeit (Liquor) vorkommt, schützt Zellen, indem es die schädliche Verklumpung fehlgefalteter Proteine verhindert.

Die Wissenschaftler:innen gelang es erstmals, die dreidimensionale kristallographische Struktur des menschlichen Clusterins zu bestimmen. Sie entdeckten dabei zwei ungeordnete, hydrophobe Peptidfortsätze, die für die vielfältigen Bindungs- und Schutzfunktionen des Proteins von entscheidender Bedeutung sind. Diese Erkenntnis trägt dazu bei, die molekularen Mechanismen hinter der schützenden Chaperonfunktion von Clusterin besser zu verstehen.

Struktur von Clusterin: Ein Schlüsselprotein gegen neurodegenerative Erkrankungen

Ein Team um Patricia Yuste-Checa, Andreas Bracher und F.-Ulrich Hartl vom Max-Planck-Institut für Biochemie hat erstmals die dreidimensionale Kristallstruktur des menschlichen Proteins Clusterin entschlüsselt. Mittels Röntgenkristallographie konnten sie die atomare Anordnung des Proteins sichtbar machen. Diese Erkenntnisse sind entscheidend, um die allgemeine Funktionsweise von Clusterin und insbesondere seine Rolle als Chaperon zu verstehen.

Die Studie zeigt, dass Clusterin aus drei verschiedenen Domänen besteht. Besonders hervorzuheben sind dabei zwei ungeordnete, hydrophobe Peptidfortsätze, die dem Protein seine bemerkenswerte Vielseitigkeit verleihen. Patricia Yuste-Checa, Erstautorin der Studie erklärt: „Der Aufbau der Peptidfortsätze erinnert an Abschnitte von kleinen Hitzeschockproteinen. Das sind molekularer Chaperone, die im Zellinneren die Proteinverklumpung verhindern, während Clusterin im extrazellulären Raum arbeitet.“

Proteine sind essenziell für die Zellfunktionen und müssen dafür korrekt gefaltet sein. Eine fehlerhafte Faltung kann zur Bildung schädlicher Protein-Ansammlungen führen, die charakteristisch für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson sind. Molekulare Chaperone, zu denen auch das Protein Clusterin gehört, spielen eine entscheidende Rolle, indem sie solche Fehlfaltungen verhindern. Clusterin, auch bekannt als Apolipoprotein-J, ist seit den 1980er Jahren als ein häufig vorkommendes Glykoprotein bekannt. Trotz seiner Bedeutung fehlte bislang ein detailliertes Verständnis darüber, wie dieses vielseitige Schutzprotein auf molekularer Ebene genau funktioniert.

Schutz vor Proteinaggregation

„Clusterin ist im extrazellulären Raum aktiv: Es bindet an fehlgefaltete Proteine, darunter die für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson typische Aggregationsprodukte von Amyloid-beta, Tau und α-Synuclein und verhindert ihre weitere Zusammenlagerung.“, so Patricia Yuste-Checa weiter. „In der Studie konnten wir zeigen, dass die hydrophoben, also wasserabweisenden, Peptidfortsätze von Clusterin für die Schutzfunktion essenziell sind. Nachdem wir die hydrophoben Aminosäuren in den Peptidfortsätzen biotechnologisch geändert oder entfernt hatten, haben wir die Chaperonaktivität, also die Schutzfunktion gegen Amyloid-beta Aggregation verloren.“ Auch die Bindung an Zelloberflächenrezeptoren und die Bildung von Lipoproteinkomplexen scheinen über die Peptidfortsätze vermittelt zu werden.

Bedeutung für die Medizin

Die neuen Einsichten in die Struktur und Funktion von Clusterin sind von medizinischer Relevanz. Andreas Bracher fasst zusammen: „Für Clusterin wurden zahlreiche Funktionen nachgewiesen, zunächst als Zellaggregationsfaktor, später als Apolipoprotein, Inhibitor des Komplementsystems, molekulares Chaperon und anti-apoptotischer Faktor. Es ist bekannt, das Clusterin extrazelluläre Amyloid-beta-Plaques bindet und dass der Clusterin-Spiegel im Liquor von Alzheimerpatienten erhöht ist. Die Entschlüsselung der Struktur und Mechanismus von Clusterin geben uns neue Einblicke in die extrazellulären Kontrollmechanismen der Proteinstabilität und werden hoffentlich für die klinische Erforschung und zukünftige Behandlung neurodegenerativer Krankheiten hilfreich sein.“

Quelle

Max-Planck-Institut für Biochemie (09/2025)

Publikation

Patricia Yuste-Checa, Alonso I. Carvajal, Chenchen Mi, Sarah Paatz, F.-Ulrich Hartl & Andreas Bracher
Structural analyses define the molecular basis of clusterin chaperone function
Nature Structural & Molecular Biology, https://www.nature.com/articles/s41594-025-01631-4

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