Schärfere Genscheren für biomedizinische Anwendungen

24. Oktober 2025

Ziel von Gentherapien ist die dauerhafte Heilung erblicher Krankheiten, wobei das CRISPR/Cas-System (Genschere) eine Schlüsselrolle spielt, da es gezielte DNA-Veränderungen ermöglicht (Reparatur, Entfernung oder Einfügen von Genen). Da die Effizienz dieser Genscheren-Varianten variiert – sie schneiden nicht immer zuverlässig an der gewünschten Stelle – hat ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) um Prof. Dr. Tobias Cantz und Dr. Reto Eggenschwiler einen Weg gefunden, drei dieser Varianten zu schärfen und ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Das erweitert die biotechnologische Werkzeugkiste.

Ursprung: bakterielle Virenabwehr

Das CRISPR-System ist ursprünglich ein biologisches Abwehrsystem von Bakterien gegen Phagen (Bakterienviren), wobei die Genschere die fremde DNA zerstört. Meist wird das CRISPR/Cas9-System aus Streptococcus pyogenes verwendet. Hierbei führt eine Lotsen-RNA das Cas9-Enzym gezielt zu einer bestimmten DNA-Stelle. Dort verursacht es einen Doppelstrangbruch, der für genetische Veränderungen genutzt und anschließend von zelleigenen Reparaturmechanismen geflickt wird.

Für die Aktivierung benötigt Cas9 ein spezifisches DNA-Erkennungsmotiv, die sogenannte PAM-Sequenz (Protospacer-Adjacent Motif) – ein kurzer Abschnitt der Nukleotide, den chemischen Grundbausteinen der DNA (bestehend aus Zucker, Phosphatgruppe und den Basen Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin).

Cas9-Varianten schneiden an anderen DNA-Stellen

Das Cas9-Enzym benötigt eine spezifische PAM-Sequenz auf der DNA, um die benachbarte Stelle im Genom aufzuschneiden, was die bearbeitbaren Bereiche festlegt. Die Standard-PAM-Sequenz des CRISPR/Cas9-Systems lautet NGGN (N steht für eine beliebige Base, gefolgt von zwei Guanin-Basen). Es existieren jedoch Cas9-Varianten mit abweichenden oder fehlenden PAM-Erkennungen. Sie können das Erbgut an anderen Stellen schneiden. Der Nachteil ist deren geringere Schneideeffizienz im Vergleich zur Standardversion.

Das Forschungsteam um Dr. Eggenschwiler hat nun die DNA-Wechselwirkung von drei dieser weniger effizienten Cas9-Varianten detailliert untersucht und sie gentechnisch gezielt verändert. „Wir haben zunächst ein Cas9-Enzym namens iSpyMac verbessert, mit dessen Hilfe sich gezielt NAAN-PAMs ansteuern lassen“, sagt Dr. Eggenschwiler. „Das ist wichtig, weil ‚AA‘ das häufigste Dinukleotid, also die häufigste Basen-Doppelfolge im menschlichen Genom ist und somit viele neue Möglichkeiten zur Genveränderung eröffnet.“

Mehr Effizienz durch verbesserte Wechselwirkung

Die Optimierung der Enzyme Cas9-SpRY und Cas9-SpG eröffnet zusätzliche Potenziale für neue Schnittstellen. Cas9-SpRY ist ein sogenanntes PAM-loses Enzym, das nahezu beliebige DNA-Stellen schneiden und verändern kann, da es keine strenge PAM-Sequenz benötigt. Cas9-SpG steuert das NGNN-PAM an und benötigt somit nur ein einziges Guanin-Nukleotid zur Erkennung. Beide Varianten ermöglichen das Ansteuern von Genomstellen ohne die „traditionellen“ NGGN-PAMs, was die Flexibilität der CRISPR/Cas9-Technologie erheblich steigert.

„Mit Hilfe von KI-generierten 3D-Modellen und Hochleistungs-Computersimulationen konnten wir die entsprechenden wichtigen strukturellen Bereiche in den Cas9-Varianten identifizieren“, erklärt der Molekularbiologe. „Daraufhin haben wir die Enzyme dann gezielt so verändert, dass ihre Wechselwirkung mit der DNA an manchen Zielstellen bis um das Vierfache gesteigert werden konnte.“ Die so verbesserten Varianten erlauben nun wirksamere genetische Veränderungen über das gesamte Genom hinweg.

Ziel: vererbte Genmutation behandeln

Mithilfe dieser verbesserten Enzyme planen die Forschenden nun, eine erbliche Genmutation zu reparieren, die den Alpha-1-Antitrypsinmangel verursacht – eine Erkrankung, bei der das Fehlen eines Schutzeiweißes zu Schädigungen von Lunge und Leber führt. „Wir wollen es schaffen, diese eine fehlerhafte Base gegen die korrekte Variante auszutauschen“, sagt Mika Opitz. Gelingt dies, wäre es ein wichtiger Schritt zur dauerhaften Heilung dieser schweren Krankheit, die im Endstadium eine Lungen- oder Lebertransplantation notwendig macht.

Quelle

Medizinische Hochschule Hannover (10/2025)

Publikation

PAM-interacting domain turn-helix 51 motifs can improve Cas9–SpRY activity
https://academic.oup.com/nar/article/53/15/gkaf782/8233998

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