Pflanzenschutzmittel verändern Verhalten von Nicht-Zielorganismen

4. November 2025

Pflanzenschutzmittel, die Kulturpflanzen vor Schädlingen und Unkräutern schützen sollen, wirken sich oft negativ auf Nicht-Zielorganismen wie Bestäuberinsekten und Fische aus. Eine lebensraumübergreifende Studie von UFZ-Wissenschaftler:innen fokussierte darauf, wie sich das Verhalten dieser Organismen nach der Exposition mit Pflanzenschutzmitteln ändert. Die im Tiermodell festgestellten Verhaltensänderungen fielen deutlich aus. Die Arbeit unterstreicht die Notwendigkeit, für eine präzisere Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln künftig komplexere und relevantere Verhaltenstests einzubeziehen.

Trotz strenger Regulierungen beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft kommen Nicht-Zielorganismen unvermeidlich mit diesen Substanzen in Kontakt und können dadurch Schaden nehmen. „Wildbienen und andere Bestäuberinsekten können kurz nach dem Spritzen mit recht hohen Konzentrationen in Berührung kommen. Aber auch Tiere des aquatischen Lebensraums sind gefährdet“, sagt UFZ-Biologe Prof. Dr. Martin von Bergen. „Durch Regenfälle werden Pflanzenschutzmittel nach und nach in die umliegenden Gewässer gespült. Sie verbleiben und wirken nicht nur dort, wo sie ausgebracht wurden.“

Wie Pestizide das Verhalten von Bienen und Fischen beeinträchtigen

Um die Wirkung auf Nicht-Zielorganismen lebensraumübergreifend zu untersuchen, wählte das UFZ-Team einen Forschungsansatz, der Bestäuberinsekten (repräsentiert durch die Honigbiene, Apis mellifera) und aquatische Tiere (repräsentiert durch den Zebrabärbling, Danio rerio) einschloss. Der Fokus der Forschenden lag dabei auf den Verhaltensänderungen dieser Modellorganismen nach der Exposition mit Pflanzenschutzmitteln. „Pflanzenschutzmittel wirken natürlich nicht immer tödlich auf die Nicht-Zielorgansimen. Je nach Art des Pflanzenschutzmittels können aber bereits geringe Konzentrationen ihre Gesundheit schädigen oder sie in ihrem Verhalten so beeinträchtigen, dass sich dies negativ auf das Individuum, die Population und damit letztlich sogar auch auf die Biodiversität des Ökosystems auswirken kann“, sagt Cassandra Uthoff. „In die Risikobewertung von Chemikalien werden Verhaltenstests von Tieren nach einer Chemikalienexposition in niedrigen Konzentrationen zwar teilweise schon einbezogen, sind jedoch nicht komplex genug und meist nicht verpflichtend.“

Biene

Als Modellorganismus für Bestäuberinsekten diente die Honigbiene. 

Pflanzenschutzmittel beeinträchtigen Futtersuche und Brutpflege der Honigbiene

Das interdisziplinäre UFZ-Forschungsteam – bestehend aus Expert:innen der Tierverhaltensforschung, Ökotoxikologie und Biochemie – legte den Fokus ihrer Untersuchung gezielt auf solche komplexen Verhaltensmuster. „Wir wollten herausfinden, ob und in welchem Maße sich diese Verhaltensmuster unter Einwirkung von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden ändern. Dazu haben wir die Modellorganismen Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt, die in ihrem jeweiligen Lebensraum in der Umwelt auch tatsächlich vorkommen und ihr Verhalten analysiert“, erklärt Cassandra Uthoff.

Bei den Honigbienen beobachteten die Forschenden nach Behandlung mit einem Insektizid eine verringerte Futtersuchaktivität und ein verändertes Verhalten bei der Nektarverarbeitung. Im Gegensatz dazu führten Fungizide und Herbizide zu einem weniger intensiven Brutpflegeverhalten. „Solche Verhaltensänderungen, ausgelöst durch umweltrelevante Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln, können die Leistungsfähigkeit, den Erhalt der Kolonien und damit letztlich auch ihre Bestäubungsleistungen beeinträchtigen“, sagt Uthoff.

Spezifische Verhaltensänderungen bei Fischembryonen

Zur Untersuchung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Süßwasserorganismen nutzten die Forschenden eine Screening-Methode am Zebrabärbling-Embryo-Modell, um neurotoxische Wirkungen anhand von Lern- und Gedächtnisprozessen schnell zu messen. Neben Einzelbehandlungen wurden die Fischembryonen auch einem typischen Insektizid-Herbizid-Fungizid-Gemisch ausgesetzt, wie es in deutschen Fließgewässern vorkommt. Diese Exposition führte zu deutlichen und spezifischen Verhaltensänderungen: Bei niedriger Konzentration des Gemisches zeigten die Embryonen ein herbeizidtypisches Verhalten. Erhöhte man jedoch die Konzentration, wurde dieses Verhalten nicht verstärkt, sondern durch ein fungizidtypisches Verhalten abgelöst.

„Die Arbeit zeigt auch, dass Chemikaliengemische bereits in umweltrelevanten Konzentrationen komplexe Verhaltensänderungen hervorrufen können“, sagt Prof. Dr. Tamara Tal, UFZ-Ökotoxikologin und Co-Studienleiterin. „Zum besseren Schutz der Tiere in der Umwelt brauchen wir deshalb Regularien, die Grenzwerte auf Basis des kumulativen Risikos festlegen.“

„Die Effekte, die wir im Tiermodell messen konnten, lassen vermuten, dass die tatsächlichen ökologischen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln deutlich weitreichender sind als bislang angenommen“, ergänzt Martin von Bergen.

Die Forschenden fordern daher, relevantere Verhaltenstests für niedrig konzentrierte Chemikalien in die Risikobewertungsrahmenwerke für Pflanzenschutzmittel zu integrieren. Dies ist notwendig, um kritische Substanzen zu identifizieren, Nicht-Zielorganismen besser zu schützen und somit zum Erhalt der Biodiversität in Agrarlandschaften beizutragen.

Quelle

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ (11/2025)

Publikation

Uthoff, C., Herold, N.K., Alkassab, A.T., Engelmann, B., Rolle-Kampczyk, U., Pistorius, J., Schweiger, N., Finckh, S., Krauss, M., Thum, A.S., Jehmlich, N.,Tal, T., von Bergen, M.: Cross-taxa sublethal impacts of plant protection products on honeybee in-hive and zebrafish swimming behaviours at environmentally relevant concentrations; Environment International, September 2025, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S016041202500501X?via%3Dihub

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