PFAS-Filter aus der Kugelmühle

30. September 2025

PFAS sind fluorhaltige chemische Verbindungen, die in zahlreichen Alltagsprodukten wie Outdoor-Bekleidung und antihaftbeschichtetem Kochgeschirr, etwa Teflonpfannen, zu finden sind. Ihre Widerstandsfähigkeit, Hitzebeständigkeit und schmutzabweisenden Eigenschaften machen sie so nützlich. Doch genau diese Stabilität führt auch zu Problemen: Da die potenziell gesundheitsschädlichen Substanzen in der Umwelt kaum abgebaut werden, werden sie auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet.

Neue Methode: Filter aus der Kugelmühle

PFAS gelangen auch ins Abwasser, aus dem sie zwar herausgefiltert werden können, allerdings mit großem Aufwand. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat nun ein neuartiges Filtermaterial entwickelt. Für die entscheidenden Experimente zur Optimierung des Verfahrens nutzte das Team die Röntgenquelle PETRA III am DESY. Die neuen Filter, sogenannte kovalente organische Gerüststrukturen, besitzen nanometerkleine Poren, in denen PFAS-Moleküle „hängenbleiben“ können. Die Herstellung dieser Nano-Gerüste erfolgt auf eine besondere Weise: durch das Mahlen in einer speziellen Mühle. „Im Labor nutzen wir dazu einen kleinen Plastikzylinder, etwa so groß wie ein Filmdöschen“, erklärt BAM-Forscherin Franziska Emmerling. „In diesen Zylinder tun wir etwas Pulver, ein Tröpfchen Lösemittel und zwei Stahlkugeln, etwa so groß wie Pfefferkörner.“

In einer speziellen Kugelmühle wird eine Spezialmechanik mehr als 30 Mal pro Sekunde hin und her geschüttelt, wodurch der Inhalt regelrecht gemahlen wird. Zunächst werden die Pulverkörnchen dabei immer kleiner. Dies vergrößert ihre Oberfläche und ermöglicht nach wenigen Minuten eine chemische Reaktion, die durch Reibungswärme, erhöhten Druck und Bewegungsenergie ausgelöst wird: Die feingemahlenen Partikel verbinden sich zu größeren Gebilden – den filtertauglichen Gerüststrukturen. Diese wenig bekannte Produktionsmethode wird als Mechanochemie bezeichnet.

„Eigentlich ist das eine alte Geschichte, vermutlich spielte die Mechanochemie bereits im Altertum eine Rolle“, erzählt DESY-Physiker Martin Etter. „Beim Zerreiben pflanzlicher Stoffe in einem Mörser dürften erste Arzneiwirkstoffe freigesetzt oder eventuell sogar durch chemische Reaktion entstanden sein.“ Mechanochemische Verfahren werden heute in der Industrie zur Synthese von Medikamenten, Katalysatoren und Funktionsmaterialien eingesetzt. Da diese Prozesse in der Regel ohne große Mengen giftiger Lösungsmittel und mit vergleichsweise wenig Energie auskommen, gelten sie als nachhaltig und umweltfreundlich.

Einblicke in die Nanowelt: So entstand das neue Filtermaterial

Um herauszufinden, wie sich die Filtergerüste am effektivsten mit einer Kugelmühle herstellen lassen, untersuchte die Arbeitsgruppe den Prozess in Hamburg mit dem hochintensiven, gebündelten Röntgenlicht von PETRA III. Während die Mühle in Betrieb war, durchleuchtete der Strahl ihren Inhalt alle zehn Sekunden und ermöglichte so die Entschlüsselung der Kristallstrukturen. „Die beiden Ausgangsstoffe lieferten ein anderes Muster auf unserem Detektor als die Chemikalie, die durch die chemische Reaktion entstand“, erklärt Etter. „Wir konnten quasi live zugucken, wie die Muster der beiden Startchemikalien immer schwächer wurden und zugleich das Muster der neuen Chemikalie erschien – das der Gerüststrukturen.“

Um die optimalen Prozessparameter zu finden, variierte das Team unter anderem die Schüttelfrequenz der Kugelmühle und die Menge des beigefügten Lösungsmittels. Die besten Gerüststrukturen entstanden dabei bei einer Frequenz von 36 Hertz, mit einer Pulvermenge von 266 Milligramm und der Zugabe von nur 250 Mikrolitern Lösungsmittel – also lediglich ein paar Tröpfchen. Im Gegensatz zu anderen Filtergerüsten, die bereits im Einsatz sind, enthält das neue Material keine Schwermetalle und ist somit umweltverträglicher.

Die Zukunft der Wasserfilterung: Von der Forschung zum Wasserhahn

Offen ist noch, wie sich die potenziellen PFAS-Filter im großtechnischen Maßstab herstellen lassen könnten. Martin Etter hat schon ein paar Ideen, wo sie eines Tages Verwendung finden könnten. „Etwa in Kläranlagen von Unternehmen, in deren Produktion PFAS-Chemikalien anfallen“, sagt der Physiker. „Und vielleicht können sie irgendwann sogar in gewöhnliche Wasserhähne integriert werden, um dadurch unser Trinkwasser zu filtern.“

Die Forschung im Bereich der Mechanochemie wird bei DESY fortgesetzt. Große Hoffnungen setzen die Fachleute dabei auf PETRA IV, die geplante Nachfolgeanlage der aktuellen Röntgenlichtquelle. PETRA IV soll einen deutlich feineren und stärker gebündelten Röntgenstrahl liefern, was die Messungen erheblich beschleunigen dürfte. „Dann werden wir nicht alle zehn Sekunden ein Bild aufnehmen können, sondern vielleicht zehn Bilder pro Sekunde“, schwärmt Etter. „Und damit könnten wir zum Beispiel chemische Prozesse beobachten, die sehr schnell ablaufen und bei denen kurzlebige Zwischenstrukturen entstehen.“

Quelle

Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY (09/2025)

Publikation

Maroof Arshadul Hoque, Thomas Sommerfeld, Jan Lisec, Prasenjit Das, Carsten Prinz, Christian Heinekamp, Tomislav Stolar, Martin Etter, Biswajit Bhattacharya, Franziska Emmerling, Mechanochemically Synthesized Covalent Organic Framework Effectively Captures PFAS Contaminants, 2025
https://bib-pubdb1.desy.de/record/638423

Nach oben scrollen