Ein am Fraunhofer IGB entwickeltes Verfahren ermöglicht die schnellere und hochpräzise Identifizierung von bakteriellen, viralen, fungalen oder parasitären Erregern bei Sepsis-Patienten. Dieser innovative Ansatz basiert auf der Hochdurchsatz-Sequenzierung (NGS) der zellfreien Erreger-DNA, die direkt aus dem Blut der Patienten isoliert wird. Für diesen Beitrag zur Diagnostik bei Intensivpatienten wurde das Fraunhofer IGB von der EARTO mit dem Innovation Award in der Kategorie „Impact Delivered“ ausgezeichnet. Das entsprechende Diagnostik-Kit ist bereits für die Indikation Sepsis zugelassen, IVD-zertifiziert und steht damit in der klinischen Routineversorgung zur Verfügung.
Schneller und präziser dank Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierung
Herkömmlich weist man Sepsis-Erreger in den meisten Kliniken per klassischer Blutkultur nach. Das ist jedoch zeitaufwendig, was die notwendige gezielte antiinfektive Therapie oft verzögert. Zusätzlich liefert die Blutkultur in maximal 30 Prozent der Fälle ein positives Ergebnis. Das neue Verfahren umgeht diese Nachteile, indem es das Erbgut der Erreger direkt im Blut nutzt. Krankheitserreger setzen wie alle Zellen sogenannte zirkulierende zellfreie DNA-Fragmente (cfDNA) frei.
Aus einer Blutprobe können die Forschenden bis zu 30 Millionen dieser DNA-Bruchstücke isolieren und mittels Next-Generation Sequencing (NGS) sequenzieren. Findet man dabei Fragmente nicht-menschlichen Ursprungs, erfolgt ein Abgleich mit einer speziellen Datenbank. Diese enthält die Genomsequenzen von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten. Dadurch kann man Pathogene eindeutig und sicher innerhalb von nur 24 Stunden identifizieren.
Klinische Studien bestätigen hochpräzise Erregeridentifikation
Klinische Studien unter der Leitung des Universitätsklinikums Essen haben die überlegene Performance des neuen NGS-Ansatzes gegenüber den bisherigen diagnostischen Standards bestätigt: Bei mehr als 60 Prozent aller Proben konnte der ursächliche Erreger identifiziert werden. Im Vergleich zur klassischen Blutkultur lieferte die NGS-Diagnostik zum Zeitpunkt des Sepsisbeginns viermal häufiger ein positives Ergebnis, und drei Tage später sogar zehnmal häufiger. Diese Präzisionsdiagnose ermöglicht eine sofortige, auf den jeweiligen Erreger abgestimmte Therapie. Die Folge: Betroffene Patienten verlassen sowohl die Intensivstation als auch das Krankenhaus deutlich schneller. Das führt zu einer höheren Lebensqualität nach Entlassung. Da die Sepsisbehandlung ein erheblicher Kostenfaktor ist, entlastet die schnellere und gezieltere Therapie Krankenhäuser und Krankenkassen gleichermaßen.
Kommerziell vertreibt die Noscendo GmbH (einer Fraunhofer IGB-Ausgründung) das Verfahren. Kliniken, die das Verfahren nicht selbst nutzen können, haben die Möglichkeit, jederzeit Proben einzusenden und innerhalb kürzester Zeit analysieren zu lassen. In den letzten fünf Jahren hat man auf diese Weise bereits die Blutproben von über 15.000 Patientinnen und Patienten untersucht.
Quelle
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (10/2025)