Neues Mikroskop macht unsichtbares 2D-Material sichtbar

11. Dezember 2025

Forschende der Abteilungen für Physikalische Chemie und Theorie am Fritz-Haber-Institut haben eine innovative Methode entwickelt, um Schichten aus Bornitrid (hBN) abzubilden, die lediglich ein Atom dick sind. Dieses Material ist in herkömmlichen optischen Mikroskopen normalerweise quasi unsichtbar, da es keine optischen Resonanzen aufweist. Das Team umging dieses Problem, indem es nichtlineare Mikroskopie in Kombination mit Infrarotlicht einsetzte. Durch diese neue Technik gelang es nicht nur, das Bornitrid sichtbar zu machen, sondern sogar seine Kristallorientierung darzustellen. Die Ergebnisse dieser Studie könnten sich maßgeblich auf die aktuell florierende Entwicklung neuer (opto-)elektronischer Bauelemente aus gestapelten 2D-Materialien auswirken.

Warum 2D-Materialien untersuchen?

2D-Materialien sind kristalline Substanzen, die lediglich aus einer einzigen Atomschicht bestehen. Aufgrund ihrer extrem geringen Dicke weisen diese Materialien sehr ungewöhnliche Eigenschaften auf. Obwohl dünne Schichtmaterialien in der Materialwissenschaft bereits seit über hundert Jahren bekannt sind, gelang es erst im Jahr 2004 erstmals, gezielt 2D-Schichten im Labor herzustellen – konkret das Material Graphen. Seitdem wurden immer mehr neue 2D-Materialien entwickelt, wodurch neuartige Anwendungen entstanden sind. Die dünnen Schichten sind in vielen Zukunftstechnologien gefragt, von Elektronik und optischen Komponenten bis hin zu Energiesystemen. Daher sind diese faszinierenden Materialien Gegenstand umfangreicher Forschung.

Die Herausforderung bei hexagonalem Bornitrid

Bornitrid (BN) – auch bekannt als „weißes Graphen“ – ist ein Schichtmaterial, das aus den Elementen Bor (B) und Stickstoff (N) besteht und in verschiedenen Formen vorkommen kann, darunter hexagonales Bornitrid (hBN). Ähnlich wie Graphen hat hBN eine sechseckige (hexagonale) Gitterstruktur und seine 2D-Schichten werden in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, beispielsweise in der Quantenoptik oder der Infrarot-Nanophotonik, oder einfach als Substrat oder Verkapselungsmaterial. Für solche Anwendungen ist eine genaue Charakterisierung der hBN-Schichten von entscheidender Bedeutung. Abgesehen von der ausgeprägten Resonanz im mittleren Infrarotbereich ist hBN als Einzelschicht jedoch über den gesamten nahen Infrarot- und sichtbaren Spektralbereich transparent. Daher kann es nicht mit herkömmlichen optischen Mikroskopen untersucht werden.

Diese Eigenschaft hat bislang die Verwendung von hBN bei der Entwicklung neuer Materialien stark eingeschränkt. Um zum Beispiel mögliche Verzerrungen und Materialgrenzen in 2D-Schichten zu identifizieren, müssen diese genau abgebildet werden. Darüber hinaus stapeln Forschende Einzelschichten aus 2D-Materialien übereinander, um „van-der-Waals-Strukturen“ zu schaffen, die völlig neue und spannende Eigenschaften aufweisen können. Idealerweise möchten die Forschenden diese Schichtung live unter dem Mikroskop beobachten, auch um die Ausrichtung der einzelnen Schichten zu sehen. Die Entwicklung einer entsprechenden Technik für hBN ist daher sehr wünschenswert.

Das Summenfrequenzmikroskop

Das Forschungsteam entwickelte ein neuartiges Mikroskop, das auf einem Trick der nichtlinearen Optik basiert, um das normalerweise unsichtbare Bornitrid (hBN) abzubilden. Die Methode, bekannt als „phasenaufgelöste Summenfrequenzmikroskopie“, nutzt die Mischung zweier Laserstrahlen (einer im mittleren Infrarot und einer im sichtbaren Bereich), um ein Summenfrequenzsignal in der Probe zu erzeugen. Durch die resonante Anregung einer hBN-Gittervibration wird dieses Signal sehr intensiv. Dadurch können nicht nur große Probenflächen 100 × 100 μm2 in weniger als einer Sekunde abgebildet, sondern auch die Kristallorientierung des Materials sichtbar gemacht werden. Dank dieser Technik konnten die Forschenden zeigen, dass die 2D-Schichten aus hBN in dreieckigen Domänen mit Stickstoff-terminierten Zickzackkanten wachsen. Die beobachtete hohe Nichtlinearität bestätigt zudem, dass einlagiges hBN ein vielversprechendes Material für die Frequenzaufwärtskonversion (vom Infraroten ins sichtbare Licht) in neuen optoelektronischen Bauelementen ist.

Erfolgreiche Zusammenarbeit

Diese Forschung demonstriert die kooperative Forschungsphilosophie des Fritz-Haber-Instituts, indem sie das Know-how verschiedener Abteilungen und internationaler Partner bündelt. Die hBN-Einzelschichten wurden an der Vanderbilt University synthetisiert. Die anschließende Analyse erfolgte mittels Summenfrequenzmikroskopie am Fachbereich Physikalische Chemie des FHI. Kooperationspartner an der Freien Universität Berlin unterstützten die Probencharakterisierung mittels Rasterkraftmikroskopie (AFM). Die Expertise des Fachbereichs Theorie des FHI war schließlich entscheidend, um die kristallographischen Details zu extrahieren.

Perspektiven der neuen Mikroskopiemethode

Das neu entwickelte Mikroskop bietet klare Vorteile gegenüber anderen bestehenden Methoden. In erster Linie kann es optisch transparente Materialien mittels optischer Mikroskopie sichtbar machen. Die generierten Mikroskopbilder weisen zudem einen deutlich höheren Kontrast auf als herkömmliche AFM-Bilder. Die Signalverstärkung durch die Schwingungsresonanz ermöglicht eine „Live-Bildgebung“ von hBN, einschließlich Online-Informationen über dessen Kristallorientierung. Das neue Mikroskop ermöglicht somit die kontrollierte Herstellung von Van-der-Waals-Strukturen. Die Autoren erwarten, dass das neue Mikroskop zur nicht-invasiven und markierungsfreien Untersuchung einer Vielzahl von gestapelten 2D-Materialien sowie deren Kombinationen mit anisotropen molekularen Anordnungen Verwendung finden wird.

Quelle

Fritz-Haber-Institut (12/2025)

Publikation

Full Crystallographic Imaging of Hexagonal Boron Nitride Monolayers with Phonon-Enhanced Sum-Frequency Microscopy
https://advanced.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adma.202510124

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