Ein gemeinsames Team der Universität Stuttgart und der University of Melbourne hat ein einfaches Verfahren zur Analyse kleinster Nanoplastikpartikel in Umweltproben entwickelt. Dafür werden nur ein gewöhnliches optisches Mikroskop und ein neuer Teststreifen, das sogenannte optische Sieb, benötigt. Prof. Harald Giessen von der Universität Stuttgart erklärt, dass der Teststreifen künftig als unkompliziertes Werkzeug in der Umwelt- und Gesundheitsforschung eingesetzt werden könnte. „Für die nähere Zukunft arbeiten wir darauf hin, Nanoplastik-Konzentrationen unmittelbar vor Ort zu analysieren. Aber auch Blut oder Gewebe könnte man mit unserem neuen Verfahren auf Nanoplastikpartikel untersuchen lassen.“
Nanoplastik als Gefahr für Mensch und Umwelt
Eines der größten globalen Probleme des 21. Jahrhunderts ist der Plastikmüll. Er verschmutzt nicht nur Gewässer und Küsten, sondern wurde inzwischen auch als Mikroplastik in Lebewesen nachgewiesen. Obwohl sich die Forschung bisher hauptsächlich auf größere Plastikreste konzentrierte, rücken nun immer mehr Nanoplastikpartikel in den Fokus. Diese winzigen, mit dem bloßen Auge nicht sichtbaren Partikel sind viel kleiner als ein menschliches Haar und entstehen durch den Zerfall von größeren Plastikstücken. Ihre geringe Größe ermöglicht es ihnen, biologische Barrieren wie die Haut oder die Blut-Hirn-Schranke mühelos zu überwinden, was eine noch größere Gefahr darstellt.
Farbveränderungen machen winzige Partikel sichtbar
Gerade die winzige Größe von Nanoplastikpartikeln macht ihre Erkennung so schwierig, weshalb verlässliche und schnelle Nachweismethoden fehlen. Dadurch gibt es noch große Wissenslücken, was die Auswirkungen dieser Partikel auf Organismen angeht. Ein Forschungsteam der Universität Stuttgart hat jetzt gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe aus Melbourne eine neue Methode entwickelt, um Nanoplastik schnell und kostengünstig nachzuweisen. Ein spezieller Teststreifen zeigt die Partikel unter dem Lichtmikroskop durch Farbveränderungen an, sodass ihre Menge und Größe bestimmt werden können. „Im Vergleich zu herkömmlichen, verbreiteten Methoden wie der Rasterelektronenmikroskopie ist das neue Verfahren wesentlich günstiger, erfordert kein Fachpersonal für die Bedienung und reduziert die notwendige Zeit für eine ausführliche Analyse“, erläutert Dr. Mario Hentschel, Leiter des Mikrostrukturlabors am 4. Physikalischen Institut.
Optisches Sieb statt teurem Elektronenmikroskop
Das „optische Sieb“ nutzt Resonanzeffekte in winzigen Löchern, um Nanoplastikpartikel sichtbar zu machen. Die Stuttgarter Forschergruppe, die bereits 2023 eine Studie über optische Effekte in solchen Löchern veröffentlichte, hat das Verfahren basierend auf mikroskopisch kleinen Vertiefungen, sogenannten Mie Voids, entwickelt, die in einem Halbleiter hergestellt werden. Je nach Durchmesser und Tiefe der Vertiefungen wechselwirken diese charakteristisch mit einfallendem Licht, was eine eindeutige Farbwirkung unter einem optischen Mikroskop erzeugt. Wenn ein Nanoplastikpartikel in eine der Vertiefungen fällt, ändert sich die Farbe deutlich. So kann allein anhand der Farbe festgestellt werden, ob ein Partikel vorhanden ist.
„Der Teststreifen funktioniert also wie ein klassisches Sieb“, erklärt Dominik Ludescher, Doktorand und Erstautor. Partikel mit Größen von 0,2 bis 1 Mikrometer können so ohne Probleme untersucht werden. „Die Partikel werden mithilfe des Siebs, bei dem die Größe und Tiefe der Löcher den Nanoplastikpartikeln angepasst werden können, aus der Flüssigkeit gefiltert und mittels des Farbumschlags detektiert. Damit können wir feststellen, ob die Vertiefungen gefüllt oder leer sind.“
Anzahl, Größe und Größenverteilung der Partikel bestimmbar
Das System bietet noch weitere Möglichkeiten: Wenn das Sieb mit unterschiedlich großen Vertiefungen ausgestattet wird, sortiert es die Partikel, sodass sich in jeder Vertiefung nur Teilchen der passenden Größe sammeln. „Ist ein Partikel zu groß, passt er gar nicht in die Vertiefung und wird beim Reinigungsprozess einfach weggespült“, sagt Ludescher. „Ist ein Partikel zu klein, so bleibt er in der Vertiefung nur schlecht haften und wird bei der Reinigung ebenfalls weggespült.“ Auf diese Weise können die Teststreifen so angepasst werden, dass aus der Farbe die Größe und die Anzahl der Teilchen in einem einzelnen Loch bestimmt werden kann.
Synthetisierte Umweltproben untersucht
Um ihr Verfahren zu testen, nutzten die Forschenden kugelförmige Partikel in bekannter Konzentration, da es noch keine standardisierten realen Wasserproben mit Nanopartikeln gibt. Sie stellten daher eine eigene Probe her, indem sie kugelförmige Partikel in bekannter Menge zu einer Seewasserprobe mit Sand und organischen Stoffen hinzufügten. Die Konzentration der Plastikpartikel in dieser Probe betrug 150 Mikrogramm pro Milliliter. Auch bei dieser komplexen Mischung konnte das „optische Sieb“ die Anzahl und Größenverteilung der Nanoplastikpartikel erfolgreich bestimmen.
Anwendbar wie ein Teststreifen
„Auf lange Sicht soll das optische Sieb als einfaches Analysewerkzeug in der Umwelt- und Gesundheitsforschung zum Einsatz kommen. Die Technik hat das Potenzial, als mobiler Teststreifen zu dienen, der dann direkt vor Ort Aussagen über den Gehalt von Nanoplastik in Gewässern oder Böden liefern könnte“, erklärt Mario Hentschel. Als Nächstes plant das Team, die Methode mit nicht kugelförmigen Nanoplastikpartikeln zu testen und herauszufinden, ob sich auch unterschiedliche Kunststoffarten unterscheiden lassen. Außerdem sind die Stuttgarter Forschenden an einer Zusammenarbeit mit Expertengruppen interessiert, die Erfahrung in der Aufbereitung realer Gewässerproben haben.
Quelle
Universität Stuttgart (09/2025)
Publikation
D. Ludescher, L. Wesemann, J. Schwab, J. Karst, S. B. Sulejman, M. Ubl, B. O. Clarke, A. Roberts, H. Giessen, and M. Hentschel: Optical Sieve for Nanoplastic Detection, Sizing, and Counting, Nature Photonics, doi 10.1038/s41566-025-01733-x.
https://www.nature.com/articles/s41566-025-01733-x