Neuer Wirkstoff schneidet Malaria-Erreger die Proteinzufuhr ab

24. Oktober 2025

Dass bakterielle Erreger zunehmend resistent gegen Antibiotika werden, ist ein altbekanntes Problem. Eine vergleichbare Herausforderung stellt sich jedoch auch bei der Malaria, einer durch Parasiten verursachten Tropenkrankheit: Hier verlieren gängige Medikamente ebenfalls immer mehr an Wirksamkeit. Um dieser bedenklichen Entwicklung entgegenzusteuern, hat ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) gemeinsam mit dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) einen neuen Wirkstoffkandidaten entwickelt. Dieser ist in der Lage, den Malariaerreger auch dann abzutöten, wenn bereits etablierte Medikamente wirkungslos bleiben.

Neuer Hoffnungsträger gegen Malaria-Resistenzen

Jährlich infizieren sich über 260 Millionen Menschen mit dem Malariaparasiten Plasmodium falciparum, wobei jährlich etwa 600.000 Todesopfer zu beklagen sind. Trotz wirksamer Artemisinin-Derivate, die seit Mitte der 90er Jahre verfügbar sind, bleibt die hohe Opferzahl bestehen. Grund dafür ist neben mangelnder Versorgung vor allem die zunehmende Resistenz des Erregers gegen die gängigen Medikamente. Experten befürchten zudem, dass die Fallzahlen auch in Deutschland durch den Klimawandel deutlich steigen werden. Angesichts dieser Entwicklungen besteht dringender Bedarf an neuen Wirkstoffen, die bestehende Resistenzen umgehen können. Forschende des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben nun in Zusammenarbeit mit dem Swiss TPH, BASF und OmicScouts mit „Substanz 31“ einen vielversprechenden neuen Wirkstoffkandidaten identifiziert, der die Entwicklung eines dringend benötigten neuen Malaria-Medikaments ermöglichen könnte

Malaria

Mehr als 260 Millionen Menschen pro Jahr infizieren sich mit dem Parasiten Plasmodium falciparum – dem Erreger der Malaria.

Die überraschende Entdeckung von „Substanz 31“

Die Entdeckung von „Substanz 31“ begann mit einem umfangreichen Screening der BASF-Substanzbibliothek (über 100.000 Moleküle). Ursprüngliches Ziel war die Identifizierung von Molekülen, die an das Enzym IspD binden und so den Stoffwechsel des Malaria-Erregers P. falciparum stören. Parallel dazu wurde deren Wirksamkeit bei der Abtötung des Parasiten geprüft. „Nachdem wir einige vielversprechende Moleküle identifizieren konnten, haben wir damit begonnen, sie durch Änderung ihrer chemischen Struktur gezielt zu optimieren“, sagt Prof. Anna Hirsch, Leiterin der HIPS-Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung. „Mit Substanz 31 haben wir nun interessanterweise einen Wirkstoffkandidaten in der Hand, der gute pharmazeutische Eigenschaften aufweist und den Malaria-Erreger sehr effizient bekämpft, obwohl von der ursprünglich beobachteten Aktivität gegen IspD überhaupt nichts mehr übrig ist.“

Substanz 31 blockiert die Proteinproduktion des Malaria-Erregers

Um den unbekannten Wirkmechanismus von Substanz 31 zu entschlüsseln – da sie nicht an das ursprüngliche Zielprotein bindet – behandelten die Forschenden den Malaria-Erreger über mehrere Tage mit niedrigen Dosen des Wirkstoffkandidaten und analysierten anschließend sein Erbgut. „Durch die Verabreichung nicht-tödlicher Mengen unseres Wirkstoffkandidaten üben wir einen Selektionsdruck auf P. falciparum aus. In der Folge manifestieren sich im Erbgut des Parasiten Mutationen, die es ihm erlauben, auch in Anwesenheit der Substanz zu überleben. Je nachdem, in welchen Genen diese Mutationen auftreten, können wir daraus ableiten, wie die getestete Substanz möglicherweise wirkt oder wie sich die Parasiten dagegen erfolgreich wehren“, sagt Dr. Matthias Rottmann, Projektleiter am Swiss TPH. „Indem wir das Proteom, also alle im Erreger vorhandenen Proteine, genauer untersucht haben, konnten wir herausfinden, wie Substanz 31 wirkt – nämlich indem sie die Produktion neuer Proteine verhindert.“ Da der Erreger ständig neue Proteine zur Aufrechterhaltung seiner Zellfunktionen produzieren muss, ist dieser Prozess ein vielversprechender Angriffspunkt für die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs.

Einzigartiger Wirkmechanismus und geringe Toxizität

Substanz 31 unterscheidet sich von den gängigen Artemisininen durch einen neuartigen Wirkmechanismus. Nur ein solcher, pharmazeutisch ungenutzter Ansatz, kann bestehende Resistenzen durchbrechen und bietet Potenzial für neue therapeutische Strategien. Ein weiterer Vorteil ist ihre fehlende Toxizität gegenüber menschlichen Zellen im Laborversuch. Das Forschungsteam plant nun, das Molekül weiter zu untersuchen und für die nächste Generation an Malaria-Medikamenten zu optimieren.

Quelle

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (10/2025)

Publikation

P. Bravo, E. Diamanti, M. M. Hamed, L. Bizzarri, N. Wiedemar, A. Passecker, N. M. B. Brancucci, A. Albisetti, C. Gumpp, B. Illarionov, M. Fischer, M. Witschel, T. Schehl, H. Hahne, P. Mäser, M. Rottmann, A. K. H. Hirsch: A Novel Antimalarial Agent that Inhibits Protein Synthesis in Plasmodium falciparum. Angew. Chem. Int. Ed. 2025, e202514085. DOI: 10.1002/anie.202514085
https://doi.org/10.1002/anie.202514085

Nach oben scrollen