Die fortschreitende Verschmutzung durch Mikroplastik wirft dringende Fragen nach den möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit auf. Bislang gestaltete sich die Erforschung dieser Zusammenhänge jedoch schwierig, da technische Hürden bestanden. Es mangelte an geeigneten, zerstörungsfreien Methoden, um die winzigen Teilchen präzise im Körpergewebe zu identifizieren.
Ein Team der MedUni Wien hat nun in Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen im Rahmen von zwei Forschungsprojekten einen bedeutenden Durchbruch erzielt. Sie etablierten eine neue Methode, die Mikroplastik im Gewebe zerstörungsfrei und ortsaufgelöst lokalisieren kann. Das Besondere daran: Die exakte Lage der Partikel wird sichtbar, während die ursprüngliche Gewebestruktur intakt bleibt. Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Forschungsbeitrag, der zur Klärung möglicher Zusammenhänge zwischen Mikroplastikbelastung und chronischen Erkrankungen beitragen kann.
Die zugrundeliegende OPTIR Methode (Optical Photothermal Infrared Spectroscopy) wurde in Kooperation mit der RECENDT GmbH – Research Center for Non-Destructive Testing in Linz eingesetzt. Dort hat man sie ursprünglich zur hochauflösenden Sichtbarmachung chemischer Strukturen in komplexen Materialien entwickelt. Dem Forschungsteam um Lukas Kenner vom Klinischen Institut für Pathologie der MedUni Wien gelang nun erstmals der Nachweis, dass und wie diese Technik erfolgreich auf menschliche Gewebeproben angewendet werden kann.
Infrarot-Fingerabdruck für präzise Identifikation
Die OPTIR-Methode (Optical Photothermal Infrared Spectroscopy) basiert auf der Reaktion verschiedener Materialien auf infrarotes Laserlicht. Dieses Licht erwärmt die untersuchten Proben lokal. Kunststoffe wie Polyethylen (PE), Polystyrol (PS) oder Polyethylenterephthalat (PET) verhalten sich dabei aufgrund ihrer spezifischen chemischen Struktur auf eine charakteristische Weise. Diese spezifischen Signale werden wiederum über eine zweite Lichtquelle erfasst. Dadurch entstehtein Infrarot-Fingerabdruck . Dieser ermöglicht eine eindeutige chemische Identifikation, ohne dass dabei das Gewebe beschädigt wird.
Das Besondere an dem nun entwickelten Untersuchungskonzept liegt darin, dass die Methode erstmals erfolgreich auf FFPE-Proben (formalin-fixiert und paraffineingebettet) angewendet wurde. Das sind jene Gewebe, die in der klinischen Pathologie routinemäßig untersucht und archiviert werden. Dabei bleibt die Gewebestruktur vollständig erhalten, was es ermöglicht, die chemische Analyse direkt mit anschließenden histologischen (mikroskopischen) oder genetischen Beurteilungen zu verbinden. Auf diese Weise lassen sich Mikroplastikpartikel nicht nur nachweisen, sondern auch in Zusammenhang mit konkreten Gewebeveränderungen untersuchen.
Dies führte bereits zu ersten wichtigen Erkenntnissen: „In der aktuell publizierten Studie konnten wir in menschlichem Dickdarmgewebe verschiedene Mikroplastikpartikel identifizieren, darunter PE, PS und PET. Diese befanden sich auffällig häufig in Bereichen mit entzündlichen Veränderungen“, berichtet Lukas Kenner. Ergänzende Experimente mit Mäusen und dreidimensionalen Zellkulturen zeigten darüber hinaus, dass sogar extrem kleine Partikel mit einem Durchmesser von nur 250 Nanometern zuverlässig erkannt werden können. PE, PS und PET sind Kunststoffe, die besonders weit verbreitet sind und entsprechend häufig in der Umwelt vorkommen.
Meilenstein für medizinische Mikroplastikforschung
Mikroplastik kann über die Luft, das Wasser oder die Nahrungsmittel in den menschlichen Körper gelangen. Die möglichen Auswirkungen dieser Partikel auf die Gesundheit sind Gegenstand intensiver Forschung. Bislang stellte jedoch eine zentrale Herausforderung dar, dass die verfügbaren Analyseverfahren entweder eine Zerstörung des Gewebes bedingten oder keine präzisen Aussagen über den genauen Ort der Partikel innerhalb der Gewebestruktur zuließen.
Mit der neuen Methode ist dieser Engpass nun überwunden. Lukas Kenner fasst die Bedeutung der Entwicklung zusammen: „Die von uns etablierte Anwendung der OPTIR-Technologie zeigt erstmals, dass beides möglich ist: präzise chemische Identifikation und Erhalt der räumlichen Gewebeinformation – ein Meilenstein für die medizinische Mikroplastikforschung.“
Quelle
Publikationen
Analytical Chemistry
Detection of Unlabeled Polystyrene Micro- and Nanoplastics in Mammalian Tissue by Optical Photothermal Infrared Spectroscopy.
Kristina Duswald, Verena Pichler, Verena Kopatz, Tanja Limberger, Verena Karl, David Hennerbichler, Robert Zimmerleiter, Wolfgang Wadsak, Mike Hettich, Elisabeth S. Gruber, Lukas Kenner, Markus Brandstetter.
DOI: 10.1021/acs.analchem.4c05400
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.analchem.4c05400
Scientific Reports
Unveiling Hidden Threats: Introduction of a Routine Workflow for Label-Free and Non-destructive Detection of Microplastics in Human FFPE Tissue Sections.
Elisabeth S. Gruber, Verena Karl, Kristina Duswald, Mukund S. Bhamidipalli, Michaela Schlederer, Tanja Limberger, Verena Kopatz, Béla Teleky, Lukas Kenner, Markus Brandstetter
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2025.01.09.24319030v1.full