Neue Erkenntnisse zu den molekularen Ursachen von Long-COVID

14. November 2025

Ein Forschungsteam des Forschungszentrums Borstel (FZB), der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Universität zu Lübeck (UzL) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) hat wichtige neue Erkenntnisse zur Entstehung des Post-COVID-Syndroms (PCS) gewonnen. Durch die Kombination von hochmoderner Einzelzell-Transkriptomik (scRNA-seq) mit zellbiologischen Modellen gelang es, die zellulären und molekularen Mechanismen hinter den langwierigen Beschwerden zu entschlüsseln.

Das Post-COVID-Syndrom betrifft etwa 3–17 % der Personen nach einer SARS-CoV-2-Infektion, wobei die Ursachen der Spät- bzw. Langzeitfolgen bisher weitgehend unklar sind. Das Team um Dr. Karosham Reddy, Professor Markus Weckmann (beide FZB), Professor Hauke Busch und Privatdozentin Dr. Anke Fähnrich untersuchte Proben aus Nasenbiopsien von 25 PCS-Patienten, die im Rahmen der bundesweiten Post-COVID-Kohorte NAKPON entnommen wurden.

Die Analyse der Zelltypen und deren Kommunikations-Signalwege ergab, dass die Schleimhaut der oberen Atemwege auch Monate nach der überstandenen Infektion strukturell verändert und fehlprogrammiert bleibt – selbst ohne aktive Virusinfektion. Zentral identifizierten die Forschenden dabei die zwei Botenstoffe TNFα und TGFβ. Diese lösen offenbar eine dauerhafte Entzündung in der Nasenschleimhaut aus, welche die Regeneration des Gewebes hemmt und somit zur anhaltenden Symptomatik bei Post-COVID beiträgt. Die Befunde wurden anschließend in humanen Schleimhautmodellen bestätigt.

Botenstoffe treiben Entzündung bei Post-COVID an

„Unsere Daten zeigen, dass die Kombination der beiden Botenstoffe TNFα und TGFβ die Regeneration des Flimmerepithels empfindlich stört“, erklärt Dr. Reddy. „Die anhaltende Entzündung in der Nasenschleimhaut wird also nicht durch das Virus selbst aufrechterhalten, sondern durch diese Botenstoffe angetrieben“, so Reddy weiter. Die beeinträchtigte Atemwegsschleimhaut kann ihre Abwehrfunktion nicht aufrechterhalten. Dies könnte die Ursache für die langanhaltenden Atemwegsbeschwerden und die erhöhte Infektanfälligkeit sein, die typisch für das Post-COVID-Syndrom (PCS) sind.

Die Ergebnisse der Studie eröffnen neue Ansatzpunkte für gezielte Therapien. Laut der federführenden Autorin PD Dr. Fähnrich weisen die Beobachtungen auf spezifische Signalwege hin, die bei PCS eine entscheidende Rolle spielen. Diese könnten therapeutisch beeinflusst werden, um Symptome zu lindern und mögliche langfristige Schäden der Nasenschleimhaut zu verhindern. Es wird vermutet, dass die beobachteten Mechanismen auch bei chronischen Lungenerkrankungen relevant sein könnten. Der Erfolg der Forschung basiert auf der engen interdisziplinären und translationalen Zusammenarbeit innerhalb des Exzellenzclusters PMI, insbesondere zwischen dem FZB, dem LIED (Universität Lübeck/UKSH) und dem Industriepartner Singleron. Diese Kooperation ermöglichte die Erhebung hochwertiger Einzelzelldaten und deren Auswertung.

Quelle

Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen (11/2025)

Publikation

Reddy, K.D., Maluje, Y., Ott, F. et al.: scRNA-seq reveals persistent aberrant differentiation of nasal epithelium driven by TNFα and TGFβ in post-COVID syndrome. Nat Commun (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-64778-0

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