Neue Erkenntnisse über den Mikrobiom-vermittelten Schutz vor Krankheitserregern

27. Juni 2025

Die Gesamtheit von Bakterien, Viren und Pilzen, die in und auf einem vielzelligen Organismus leben, wird als natürliches Mikrobiom bezeichnet. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Wirt und diesen Mikroorganismen beeinflussen maßgeblich die Funktionen und die Gesundheit des Lebewesens. Forschende gehen unter anderem davon aus, dass das Mikrobiom eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern spielt. Der Kieler Sonderforschungsbereich (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) widmet sich seit einigen Jahren der Untersuchung dieser hochkomplexen Interaktionen. Dabei nutzen sie verschiedene Modellorganismen, darunter den Fadenwurm Caenorhabditis elegans, um die Beziehungen zwischen Wirtslebewesen und Mikroorganismen zu erforschen.

Forschende des SFB 1182 und des Max-Planck-Instituts für Terrestrische Mikrobiologie haben neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie das Mikrobiom zur Erregerabwehr beiträgt. Sie entdeckten, dass ein Pseudomonas-Bakterium im Darm des Fadenwurms C. elegans, das den Wirt vor Infektionen schützt, Sphingolipide produziert – eine überraschende Erkenntnis, da diese Eigenschaft bisher nicht für Pseudomonas bekannt war. Die Studie zeigte, dass die Bakterien einen alternativen Stoffwechselweg für die Sphingolipid-Synthese nutzen. Zudem konnten die Forschenden beweisen, dass diese Sphingolipide essenziell sind, um das Darmepithel vor Schädigungen durch Krankheitserreger zu schützen.

Ein spezifisches Biosynthese-Gencluster ist für die Sphingolipidproduktion in den untersuchten Pseudomonas-Bakterien verantwortlich, da es die Enzyme für diesen neuartigen Stoffwechselweg bildet. Interessanterweise wurden ähnliche Gencluster auch bei weiteren, Wirt-assoziierten Darmbakterien gefunden. Dies deutet darauf hin, dass die Fähigkeit, schützende Sphingolipide zu produzieren, möglicherweise weiter verbreitet ist als bisher angenommen. Dies lässt vermuten, dass bakterielle Sphingolipide eine zentrale Rolle im Mikrobiom-vermittelten Schutz vor Infektionen spielen könnten – und zwar nicht nur bei C. elegans, sondern potenziell auch bei anderen Wirtsorganismen.

Bakterien nutzen alternativen Weg zur Herstellung schützender Sphingolipide

Bereits vor einigen Jahren hatten die Forschungsgruppe eine Studie veröffentlicht, die einen durch das Mikrobiom vermittelten Infektionsschutz bei C. elegans belegen konnte. „Wir wussten also, dass bestimmte Bakterien im Darm der Würmer Substanzen produzieren, die sie vor Infektionen schützen können. Die beteiligten Stoffe und Mechanismen konnten wir aber bisher noch nicht identifizieren“, betont Dr. Lena Peters.

Im Rahmen einer umfassenden Kooperation innerhalb des SFB 1182, an der unter anderem die CAU-Professoren Christoph Kaleta und Manuel Liebeke sowie externe Partner wie Professor Helge Bode (MPI für Terrestrische Mikrobiologie, Marburg) und Professor Dominic Campopiano (Universität Edinburgh) beteiligt waren, wurden die genetischen und metabolischen Grundlagen des Mikrobiom-vermittelten Infektionsschutzes erforscht. Mittels Stoffwechsel-, Transkriptionsstudien, Einzelmolekül- und massenspektrometrischen Analysen machten die Forschenden eine überraschende Entdeckung: Sie konnten belegen, dass schützende Pseudomonas-Bakterien Sphingolipide produzieren, die in den Sphingolipid-Stoffwechsel des Wurmes eingreifen und so den Wirt vor Krankheitserregern schützen.

„Diese Erkenntnis ist relativ neu“, erklärt Dr. Lena Peters. „Normalerweise nutzen Bakterien den Sphingolipid-Stoffwechsel von Wirtsorganismen, um diesen gezielt zu manipulieren und Infektionen zu begünstigen. In unserem Fall beobachten wir jedoch das Gegenteil – hier unterstützen bakterielle Sphingolipide offenbar aktiv den Schutz des Wirts.“ Sphingolipide sind fettähnliche Moleküle, die primär in Eukaryoten zu finden sind, wo sie essenzielle strukturelle und regulatorische Aufgaben erfüllen. In Bakterien treten sie hingegen selten auf. Im Fall von Pseudomonas findet die Synthese dieser Lipide über einen bisher unbekannten, alternativen Stoffwechselweg statt. Ungewöhnlicherweise werden sie dabei nicht als Teil des Primärstoffwechsels gebildet, sondern als sogenanntes Sekundärmetabolit.

Bakterielle Sphingolipide schützen Würmer vor Infektionen: Neuer Stoffwechselweg entdeckt

Diesem bislang unbekannten Stoffwechselweg, so fanden die Forschenden heraus, liegt ein bestimmtes Biosynthese-Gencluster zugrunde, eine sogenannte Polyketid-Synthase. „In unseren Versuchen konnten wir bestätigen, dass die Würmer in Anwesenheit von Pseudomonas fluorescens-Bakterien, die dieses Gencluster aufwiesen, besser überlebten, wenn sie mit dem Krankheitserreger Bacillus thuringiensis infiziert wurden“, betont Peters. Nachdem sie die verantwortlichen Gene identifiziert hatten, konnten die Forschenden über weitere Analysen bestätigen, dass das Gencluster die für die Sphingolipid-Synthese nötigen Enzyme codiert. „Für uns war es spannend, an dieser wichtigen, bahnbrechenden Arbeit mitzuwirken. Wir freuen uns, dass unser Fachwissen in der bakteriellen Sphingolipid-Forschung dazu beigetragen hat, die bislang unbekannte Rolle dieser rätselhaften Lipide im Mikrobiom des Wurms zu entschlüsseln“, betont Professor Campopiano.

„Der Schutzmechanismus gegenüber Infektionen mit B. thuringiensis wirkt offenbar indirekt. Die von Pseudomonas produzierten Lipide beeinflussen den Sphingolipid-Stoffwechsel des Wurms, was vermutlich zu einer verbesserten Barrierefunktion der Darmzellen führt“, erklärt Peters. Bei der Infektion des Wurms mit B. thuringiensis erzeugen die Toxine des Krankheitserregers kleine Poren in der Zellmembran des Wirts, was das Eindringen der Krankheitserreger erleichtert. „Wir gehen davon aus, dass der durch P. fluorescens modifizierte Sphingolipid-Metabolismus die Stabilität und Widerstandskraft der Zellmembranen stärkt – und damit einen wirksamen, indirekten Schutz vor Pathogenen bietet“, so Peters weiter.

„Insgesamt erweitert die neue Forschungsarbeit das Verständnis darüber, wie mikrobielle Stoffwechselprodukte den Schutz des Wirtes vor Krankheitserregern unterstützen“, sagt Dierking. Langfristig, so hoffen die Forschenden des SFB 1182, die auch im CAU-Forschungsschwerpunkt Kiel Life Science (KLS) aktiv sind, könne man über die bessere Kenntnis solch grundlegender Mechanismen auch Störungen des menschlichen Darmmikrobioms beeinflussen und die dadurch verursachten Krankheiten besser als bisher therapieren.

Quelle

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (06/2025)

Publikation

Lena Peters, Moritz Drechsler, Michael A. Herrera, Jing Liu, Barbara Pees, Johanna Jarstorff, Anna Czerwinski, Francesca Lubbock, Georgia Angelidou, Liesa Salzer, Karlis Arturs Moors, Nicole Paczia Yi-Ming Shi, Hinrich Schulenburg, Christoph Kaleta, Michael Witting, Manuel Liebeke, Dominic J. Campopiano, Helge B. Bode & Katja Dierking (2025): Polyketide synthase-derived sphingolipids mediate microbiota protection against a bacterial pathogen in C. elegans. Nature communications First published: 3 June 2025 https://doi.org/10.1038/s41467-025-60234-1

Nach oben scrollen