Die Sauerstoffgasentwicklung ist ein entscheidender und energieintensiver Schritt der Wasserelektrolyse, weshalb sie einen zentralen Ansatzpunkt zur Effizienzsteigerung der grünen Wasserstoffproduktion darstellt. Bisher gingen Modellierungen der Reaktionsmechanismen davon aus, dass die elementaren Schritte nacheinander ablaufen. Ein Team um Prof. Dr. Kai S. Exner von der Universität Duisburg-Essen hat nun jedoch gezeigt, dass diese Annahme nicht immer zutrifft. Die Ergebnisse eröffnen neue Wege zur Verbesserung fester Katalysatoren.
Katalyse: Phasen und Prinzipien
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Katalyse: homogene und heterogene. Bei der homogenen Katalyse befinden sich der Katalysator und die Reaktanten im selben Aggregatzustand, beispielsweise alle in flüssiger Form. Im Gegensatz dazu liegt bei der heterogenen Katalyse der Katalysator in einer anderen Phase vor, etwa als Feststoff, der mit Flüssigkeiten oder Gasen reagiert. Damit eine Reaktion an einem festen Katalysator stattfinden kann, müssen die Ausgangsstoffe (Edukte) zunächst an dessen Oberfläche haften (Adsorption) und sich nach der Umwandlung wieder lösen (Desorption).
Bisher nahm die Forschung bei festen, also heterogenen, Katalysatoren an, dass diese Adsorptions- und Desorptionsschritte nacheinander ablaufen: Das Edukt bindet, reagiert und das Produkt löst sich danach ab. Bei homogenen Katalysatoren ist hingegen bekannt, dass diese Schritte simultan erfolgen können.
IrO₂-Katalyse simuliert homogenes Verhalten
Bislang wurden in der Modellierung von Reaktionsmechanismen in der heterogenen Katalyse mögliche parallel ablaufende Elementarschritte nicht immer berücksichtigt. Eine theoretische Studie innerhalb des Exzellenzclusters RESOLV zeigt nun jedoch, dass sich der Feststoff Iridiumdioxid (IrO₂), ein Anodenmaterial zur Herstellung von grünem Wasserstoff, in der Sauerstoffgasentwicklung ähnlich wie ein homogener Katalysator verhält.
Konkret entsteht Sauerstoff in einem „Walden-artigen Mechanismus“, bei dem Adsorption und Desorption gleichzeitig ablaufen, ähnlich wie bei der homogenen Katalyse. Diese Erkenntnis widerspricht bisherigen Annahmen und eröffnet neue Möglichkeiten zur Verbesserung von Elektrodenmaterialien, indem man sich stärker an den Prinzipien der homogenen Katalyse orientiert.
Quelle
Universität Duisburg-Essen (07/2025)
Publikation
Usama, M., Razzaq, S., Hättig, C., Steinmann, S. & Exner, K. S. Oxygen evolution reaction on IrO2(110) is governed by Walden-type mechanisms. Nat. Commun. 16, 6137 (2025).
https://doi.org/10.1038/s41467-025-61367-z