Forschende des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) haben in Kooperation mit drei Diagnostikunternehmen aus Thüringen eine innovative Mikroarray-Plattform entwickelt. Entstanden am InfectoGnostics Forschungscampus Jena, zielt diese Neuheit darauf ab, mit nur einem Tropfen Blut zwei zentrale Herausforderungen der öffentlichen Gesundheit zu lösen: Sie soll helfen, Impflücken aufzudecken und antibiotikaresistente Erreger schneller zu identifizieren.
„Unsere Plattform verkürzt die Suche nach geeigneten Antikörpern von Wochen auf Tage“, sagt Erstautor Sascha D. Braun. „Damit lassen sich neue Tests deutlich schneller entwickeln – ein großer Vorteil angesichts zunehmender Antibiotikaresistenzen.“
Im Fokus: Resistenzen gegen Reserveantibiotika
Die Studie konzentriert sich auf den Nachweis von bakteriellen Enzymen mittels spezifischer Antikörper. Diese Enzyme sind dafür bekannt, wichtige Antibiotikaklassen außer Kraft zu setzen. Beispiele hierfür sind Carbapenemasen, die nahezu alle Beta-Laktam-Antibiotika unwirksam machen und ein großes Risiko der modernen Medizin darstellen, sowie MCR-1, das gramnegative Bakterien wie Escherichia coli gegen das Reserveantibiotikum Colistin resistent macht, welches oft bei schweren Krankenhausinfektionen eingesetzt wird, wenn andere Mittel versagen.
Der entwickelte Jenaer Mikroarray ist in der Lage, alle Antikörper gleichzeitig sowohl als „Fänger“ (bindend) als auch als „Sucher“ (detektierend) zu testen. Diese Methode spart Zeit und vermeidet die zahlreichen Einzelschritte, die klassische ELISA-Tests erfordern. Bei Tests zeigten rund ein Fünftel der 49 untersuchten Antikörper starke und reproduzierbare Signale, was sie für den Einsatz in Schnelltests wie Lateral-Flow-Streifen qualifiziert. Das übergeordnete Ziel ist es, in Zukunft Testergebnisse innerhalb weniger Minuten bei gleichzeitig hoher Spezifität und Sensitivität zu erhalten.
Impfschutz sichtbar machen: von Masern bis Corona
Bereits im Jahr 2022 demonstrierten die Forschenden, dass ihre Mikroarray-Technologie in der Lage ist, Antikörper gegen verschiedene Impfstoffe und Infektionen wie Masern, Tetanus oder SARS-CoV-2 nachzuweisen. Das ursprüngliche Ziel war es, die humorale Immunantwort nach einer Impfung sichtbar zu machen.
Die Methode ist denkbar einfach: Ein Tropfen Blut genügt, da auf dem Chip fixierte Antigene als molekulare „Fallen“ wirken, an die vorhandene Antikörper binden, um den Impfschutz zu prüfen. Diese Anwendung ist besonders aktuell, da sinkende Impfquoten nach der Corona-Pandemie das Problem verschärfen. Dies zeigt sich an der WHO-Meldung von über 127.000 Masernfällen in der europäischen Region im Jahr 2024, doppelt so viele wie im Vorjahr. Mit dieser Plattform könnten Impflücken künftig gezielt aufgedeckt werden. Ein Anwendungsfeld sind beispielsweise bei Schuleingangsuntersuchungen oder bei Menschen mit unklarem Impfstatus.
„Wir wollten eine flexible Testplattform schaffen, die auf neue Gesundheitsrisiken reagieren kann – sei es ein neuer Erreger, eine Impflücke oder eine resistente Infektion“, sagt Projektleiter Prof. Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT und der Universität Jena.
Kooperation mit Thüringer Diagnostikunternehmen
Die neue Diagnostik-Plattform wurde in Kooperation mit den Thüringer Unternehmen INTER-ARRAY, Senova und -4H-JENA engineering entwickelt. Dabei war INTER-ARRAY federführend bei den Antikörpern und Mikroarrays, während Senova und -4H-JENA engineering ihr Know-how in den Bereichen Lateral-Flow-Assays und Systemintegration einbrachten. Das Leibniz-IPHT verantwortete die vollständige Assayentwicklung und Validierung unter Praxisbedingungen. Die Arbeit ist Teil des vom BMFTR geförderten Projekts RESISTOVAC, das eine modulare Multiparameter-Plattform zum Ziel hat, um Impfsicherheit und bakterielle Resistenzen schnell und zuverlässig parallel nachzuweisen.
Zukunft am Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung
Die Modularität der Plattform stellt einen entscheidenden Vorteil dar, da sie angesichts der weltweit zunehmenden Infektions- und Resistenzkrankheiten jederzeit erweitert werden kann. Künftig soll diese Technologie auch im entstehenden Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung (LPI) in Jena zum Einsatz kommen. Ziel ist es, neue diagnostische Verfahren schneller aus der Forschung in die Anwendung zu überführen, beispielsweise für den Einsatz in Kliniken, Hausarztpraxen oder mobilen Testzentren.
Quelle
Leibniz-Institut für Photonische Technologien e. V. (10/2025)
Publikation
Braun, S. D., Reinicke, M., Diezel, C., Müller, E., Frankenfeld, K., Schumacher, T., et al. (2025). High-throughput screening of monoclonal antibodies against carbapenemases using a multiplex protein microarray platform. Frontiers in Microbiology Volume 16 – 2025. doi: 10.3389/fmicb.2025.1650094.
Burgold-Voigt S, Müller E, Zopf D, Monecke S, Braun SD, Frankenfeld K, Kiehntopf M, Weis S, Schumacher T, Pletz MW, Ehricht R; CoNAN Study Group. Development of a new antigen-based microarray platform for screening and detection of human IgG antibodies against SARS-CoV-2. Scientific Reports. 2022; 12(1):8067. doi: 10.1038/s41598-022-10823-7