Forschende am Max-Planck-Institut für Hirnforschung haben die molekulare Landschaft des Hippokampus von Mäusen kartiert, einer Gehirnregion, die für das Lernen und das Gedächtnis von zentraler Bedeutung ist. Mithilfe einer Kombination von RNA- und Proteinprofilierung sowie neuen Methoden zur Isolierung von Hirnregionen und Synapsen identifizierte das Team Tausende von Molekülen mit unterschiedlichen räumlichen Mustern. Die Studie zeigt, wie die lokale Proteinproduktion und die synaptische Vielfalt die Funktion des Hippokampus beeinflussen, und stellt der Forschungsgemeinschaft eine frei zugängliche Ressource zur Verfügung.
Die molekulare Landkarte des Gehirns
Forschende um Dr. Eva Kaulich und Quinn Waselenchuk vom Schuman-Labor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt haben den ersten umfassenden Transkriptom- und Proteom-Atlas des Hippokampus von Mäusen mit synaptischer Auflösung erstellt. Bisherige Studien zur Komplexität des Gehirns konzentrierten sich entweder auf Boten-RNAs (mRNAs) oder Proteine, jedoch wurden diese Molekülklassen selten systematisch parallel untersucht.
Um ein tieferes Verständnis zu erlangen, war es jedoch notwendig, detaillierte, quantitative Informationen beider Molekülklassen über verschiedene Hirnregionen, Zelltypen und Kompartimente hinweg zu gewinnen. Für ihre Forschung wählten die Wissenschaftler:innen den Hippokampus, da diese Gehirnregion für Lernen und Gedächtnis von zentraler Bedeutung ist und ihre Struktur, Funktion und Konnektivität bereits gut erforscht sind.
Die Komplexität des Hippokampus
Um ihre Erkenntnisse zu gewinnen, kombinierten die Forschenden fortschrittliche Methoden wie die RNA-Sequenzierung (RNA-seq) und die Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) mit präziser Mikrodissektion von Hippokampus-Subregionen und -Schichten. Ergänzt wurde dies durch die Fluoreszenz-aktivierte Synaptosomen-Sortierung (FASS). Durch diese Vorgehensweise konnten sie über 17.000 mRNAs und 10.000 Proteine systematisch vermessen und deren unterschiedliche Verteilungsmuster aufdecken – darunter wichtige Moleküle wie Rezeptoren, Ionenkanäle und Stoffwechselregulatoren.
Die Analyse der Daten zeigte komplexe Zusammenhänge: Während einige Proteine direkt mit den mRNA-Levels korrelierten, deuteten andere auf zusätzliche Regulationsmechanismen hin, wie die Halbwertszeit von Proteinen und die lokale Translation. Besonders bemerkenswert war die Erkenntnis, dass distale Dendriten, die weit von der Zelle entfernt sind, stark auf die lokale Proteinsynthese angewiesen sind, um ihre spezifische Funktion aufrechtzuerhalten.
„Unser Atlas bietet einen beispiellosen Einblick in die Organisation von RNA und Proteinen im Hippokampus. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, um zu untersuchen, wie molekulare Vielfalt die Gehirnfunktion und Plastizität unterstützt“, sagt Co-Erstautorin Eva Kaulich, Postdoktorandin im Schuman-Labor. „Durch die Integration von Transkriptom- und Proteomdaten mit subzellulärer Auflösung können wir nun besser verstehen, wie Neuronen ihre molekulare Maschinerie lokal regulieren, insbesondere an den Synapsen“, fügt Co-Erstautor Quinn Waselenchuk hinzu. „Der Hippokampus dient seit langem als Modellsystem in den Neurowissenschaften. Mit der Veröffentlichung dieses Atlas möchten wir der Fachwelt ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem sie untersuchen kann, wie die molekulare Organisation die neuronale und synaptische Funktion beeinflusst“, fasst Erin Schuman zusammen.
Quelle
Max-Planck-Institut für Hirnforschung (09/2025)
Publikation
Eva Kaulich, Quinn Waselenchuk, Nicole Fürst, Kristina Desch, Janus Mosbacher, Elena Ciirdaeva, Marcel Juengling, Roshni Ray, Belquis Nassim-Assir, Georgi Tushev, Julian D. Langer & Erin M. Schuman.
An integrated transcriptomic and proteomic map of the mouse hippocampus at synaptic resolution.
Nat Commun 16, 7942 (2025).
https://dx.doi.org/10.1038/s41467-025-63119-5