Seltener Meteorit liefert Einblicke in die Geschichte des Sonnensystems

13. Oktober 2025

Am 24. Oktober 2024 ist ein Himmelskörper aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter in die Erdatmosphäre eingetreten. Er ging nahe der österreichischen Stadt Haag nieder, wo anschließend Bruchstücke geborgen werden konnten. Solche Meteoritenfälle sind äußerst selten; weltweit werden pro Jahr nur etwa zehn solcher Ereignisse registriert.

Seltene Gesteinsart identifiziert

Ein Forschungsteam der Institute für Planetologie und Mineralogie der Universität Münster hat den Meteoriten, der den Namen „Haag“ erhielt, zusammen mit internationalen Kollegen wissenschaftlich untersucht. Dabei kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass der Meteorit zur Gruppe der sogenannten LL-Chondrite gehört. Hierbei handelt es sich um eine seltene Gesteinsart, die weniger als zehn Prozent aller bekannten Meteoritenfälle ausmacht. „Meteoriten wie ‚Haag‘ sind Archive der Frühzeit unseres Sonnensystems”, betont Prof. Dr. Addi Bischoff. „Sie enthalten Informationen über Prozesse, die vor viereinhalb Milliarden Jahren stattfanden, und helfen uns zu verstehen, wie die Erde und andere Planeten entstanden sind.”

LL-Chondrite sind eine besondere Klasse von Meteoriten, die als ursprüngliche Bausteine der Planeten gelten. Sie bestehen hauptsächlich aus kleinen, kugeligen Mineralansammlungen und zeichnen sich durch einen vergleichsweise geringen Metallanteil aus.

Die Brekzien-Struktur des Meteoriten „Haag“

Besonders auffällig am Meteoriten „Haag“ ist seine innere Struktur. Das Forschungsteam aus Münster führte mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops Dünnschliffanalysen durch und stellte fest, dass der Meteorit ein zertrümmertes Gefüge besitzt, das in der Fachsprache als Brekzie bezeichnet wird.

Dieses spezielle Gefüge entstand durch zahlreiche Einschläge auf dem ursprünglichen Mutterkörper des Meteoriten im Asteroidengürtel. Bei diesen Kollisionen wurde Material aus tieferen Schichten herausgeschleudert und mit dem Oberflächenmaterial vermischt, wodurch die charakteristische Brekzien-Struktur entstand. „Solche Prozesse weisen auf eine lange und bewegte Geschichte hin“, erklärt Dr. Markus Patzek. „Die wiederholten Einschläge haben zu einer mächtigen Schicht aus Trümmern geführt, die sich immer wieder neu verfestigten.“

Eine Edelgasanalyse an der ETH Zürich lieferte weitere Erkenntnisse über die Geschichte des Meteoriten „Haag“. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Himmelskörper während seiner Zeit im All nicht direkt an der Oberfläche des Mutterkörpers lag, sondern von Material bedeckt war. Nach der Abspaltung reiste er anschließend 21 bis 24 Millionen Jahre lang als eigenständiger Kleinkörper durch das Sonnensystem.

Herkunft, Größe und Besonderheit

Messungen von Radionukliden erlauben eine Schätzung der ursprünglichen Größe: Der Meteorit hatte demnach einen Durchmesser von etwa einem Meter, bevor er auf die Erde traf.
Die gesamten chemischen, isotopischen und physikalischen Daten bestätigen, dass „Haag“ aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammt. In dieser Region umkreisen Millionen von Gesteinskörpern die Sonne, die als die ältesten Bausteine des Sonnensystems gelten und entscheidende Hinweise auf die Entstehung der Erde und anderer Planeten liefern.

Als überraschend gilt die Tatsache, dass nur acht Jahre zuvor, am 6. März 2016, im bayerischen Stubenberg ein Meteorit niederging, der ebenfalls zur seltenen Gruppe der LL-Chondrite gehört. Die beiden Fundorte liegen lediglich rund 110 Kilometer voneinander entfernt. „Dass in so kurzer Zeit und in so geringer geografischer Entfernung zwei Meteorite desselben Typs gefunden werden, ist eine wissenschaftliche Sensation“, sagt Addi Bischoff. „Es ist durchaus denkbar, dass beide Bruchstücke von ein und demselben Mutterkörper stammen.”

Quelle

Universität Münster (10/2025)

Publikation

Bischoff, A., Patzek, M., Barrat, J.-A., Bartel, S., Berndt, J., Busemann, H., Di Rocco, T., Ek, M., Fehr, M.A., Heinlein, D., Krietsch, D., Lehnert, B., Maden, C., Marchhart, O., Martschini, M., Merchel, S., Pack, A., Patzer, A., Pichotta, M., Reitze, M.P., Schmitt-Kopplin, P., Schönbächler, M., Thannheiser, L., Weber, I., Wieser, A. and Wimmer, K. (2025), The fall of the Haag (LL4-6) chondrite breccia—Just 8 years after the nearby fall Stubenberg (LL6). Meteorit Planet Sci.
https://doi.org/10.1111/maps.70060

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