Lichtgetriebene Reaktionen ohne umweltschädliche Lösungsmittel

15. Oktober 2025

Um chemische Reaktionen zu initiieren, ist Energie notwendig. Die Nutzung von Licht als Energiequelle ist hierbei eine besonders nachhaltige Option: Es steht unbegrenzt zur Verfügung und ist nicht umweltschädlich. „Der Nachteil ist, dass fotochemische Reaktionen in der Regel in Lösung stattfinden, und zwar in starker Verdünnung“, sagt Carolina Spula. Lösungsmittel stellen ein erhebliches Umweltproblem dar, weshalb Carolina Spula am Lehrstuhl Anorganische Chemie auf sie verzichtet. Dort arbeitet sie im Bereich der Feststoff-Fotochemie, bei der Reaktionen sozusagen trocken ablaufen: Sie sind lösungsmittelfrei und lichtbetrieben. Allerdings müssen dabei noch einige Hürden überwunden werden.

„Bisher war man bei der Feststoff-Fotochemie auf sehr kleine Mengen begrenzt“, erläutert Carolina Spula. Da Licht Pulver kaum durchdringt, waren bisher nur sehr dünne Pulverschichten bestrahlbar. Um auch größere Mengen reagieren zu lassen, setzt Carolina Spula auf Bewegung: Sie entwickelte spezielle Fotoreaktoren für Kugelmühlen. Dabei wird der pulverförmige Ausgangsstoff in einen Quarzglaszylinder mit Teflonkugeln gefüllt und dann horizontal geschüttelt und gleichzeitig von UV-Lampen bestrahlt, um eine gleichmäßige Lichtverteilung zu gewährleisten.

Ein Drittel Pulver, ein Drittel Kugeln, ein Drittel Luft

Mit diesem Aufbau experimentierte Carolina Spula und perfektionierte ihn. „Als Faustregel kann man sagen: Für eine erfolgreiche Reaktion braucht man ein Drittel Bechervolumen Pulver, ein Drittel Kugeln und ein Drittel Luft“, berichtet sie. „Bei manchen Reaktionen kann es auch hilfreich sein, ein wenig Füllstoff hinzuzufügen, etwa ein inertes Salz. Das verhindert, dass sich Pulver in einer Ecke zusammenklumpt, wo es kein Licht mehr abbekommt.“ Der Füllstoff lässt sich später einfach abtrennen. Gelegentlich nutzt die Forscherin auch eine kleine Menge Lösungsmittel, um eine Art Paste zu erzeugen.

Für die Verarbeitung größerer Pulvermengen erprobte Carolina Spula alternativ den resonant akustischen Mixer, der das senkrecht eingespannte Röhrchen vertikal in Schwingungen versetzt, um den Inhalt zu bewegen. „Das ist in etwa so wie bei den Farbmischanlagen, die es in Baumärkten gibt“, veranschaulicht sie. Durch die vertikalen Schwingungen des resonant akustischen Mixers wird der Röhrcheninhalt optimal durchmischt, sodass alle Pulverpartikel die transparente Wand und somit das Licht erreichen. Da keine Mahlkugeln nötig sind, können größere Mengen verarbeitet werden.

Carolina Spula konzentriert sich auf organische Reaktionen, wie die Cyclodehydrochlorierung. Hierbei spaltet Licht gezielt ein Chloratom von einer Kohlenstoffkette ab, da diese Bindung schwächer ist als die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen. Durch das Aufbrechen der Chlor-Bindung schließt sich automatisch ein Kohlenstoffring an der gewünschten Stelle.

Nanographene könnten Silizium ablösen

„Hintergrund ist, dass man möglichst lange, planare Kohlenstoffketten haben möchte“, erklärt Carolina Spula. Aufgrund ihrer einstellbaren Bandlücke könnten diese Graphen-Nanoribbons zukünftig Silizium-Halbleiter in der Mikroelektronik ersetzen. Bei ihrer Herstellung ist eine präzise, plane Geometrie entscheidend. Um Verdrehungen zu verhindern, wird eine Sollbruchstelle – etwa durch Chlor – eingebaut, damit sich die Kohlenstoffringe korrekt schließen. Zwar sind diese Reaktionen auch in Lösung möglich, doch je länger die Kohlenstoffring-Kette wird, desto schlechter löst sie sich. „Um dieses Problem zu umgehen, muss man dann immer harschere, noch schlechter umweltverträgliche Lösungsmittel benutzen“, erklärt Carolina Spula.

Bei der fotochemischen Herstellung des Nanographens ist das unproblematisch. „Für die Umwandlung von 150 Milligramm eines Dreierrings haben wir in der Mühle 25 Stunden gebraucht“, berichtet sie. „Die Reaktion eines doppeltchlorierten Fünfringsystems war nach 48 Stunden abgeschlossen.“ Dass die gewünschte Reaktion im Pulver passiert war, wies die Chemikerin mittels geeigneter Analysemethoden wie Kernspinresonanz-Spektroskopie nach.

„Bislang haben wir das alles nur im Labormaßstab durchgeführt“, so Carolina Spula. „So konnten wir zeigen, dass das Verfahren funktioniert.“ Die Methode ist auch für andere Bereiche der organischen Synthese interessant, beispielsweise für die metallfreie Herstellung von Düngemitteln oder pharmazeutisch wirksamen Verbindungen.

Übertragung auf industriell interessante Bindungen

In ihrer Dissertation untersuchte sie, ob die Methode über Ringschlussreaktionen hinaus auch zur generellen Funktionalisierung von C-X-Bindungen (zwischen Kohlenstoff und Halogenen wie Chlor, Brom oder Iod) eingesetzt werden kann. „Klassische C–X-Funktionalisierungen benötigen meist Übergangsmetalle und gefährliche Reagenzien, was Kosten, Abfälle und Umweltbelastungen verursacht“, sagt Carolina Spula. „Fotochemische Alternativen sind zwar bekannt, benötigen aber stark verdünnte Lösungen.“

Sie entwickelte eine metall- und katalysatorfreie Synthesevorschrift zur fotochemischen Bindungsbildung zwischen Kohlenstoff und Bor, wodurch Arylboronsäureester – eine Schlüsselmolekülklasse für Pharmazie, Sensorik und Materialwissenschaften – entstehen. Dieses Protokoll konnte sie erfolgreich auf Kohlenstoff-Phosphor- und Kohlenstoff-Schwefel-Bindungen erweitern, deren Molekülklassen unter anderem in der Pharmazie und Agrarwirtschaft (als Dünger) relevant sind. „Die Auswertung hat gezeigt, dass unsere UV-unterstützte mechanochemische Methode im Vergleich zu lösungsmittelbasierten oder metallkatalysierten Methoden die besten Ökobilanzwerte bei geringstem Energieverbrauch aufweist“, berichtet die Forscherin.

Quelle

Ruhr-Universität Bochum (10/2025)

Publikation

Dieser Artikel erscheint im Wissenschaftsmagazin Rubin.

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