Für eine kohlenstoffneutrale Bioökonomie ist die Umwandlung von CO2 in Rohstoffe essenziell. Ein vielversprechender Weg führt über Ameisensäure (Formiat), die sich nachhaltig aus CO2 gewinnen lässt und Mikroorganismen als Nahrung für die Produktion von Treibstoffen dienen kann.
Ein Team um Dr. Maren Nattermann am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie hat hierfür das maßgeschneiderte Enzym „FAR“ entwickelt. Dieses führt den zentralen Umwandlungsschritt von Formiat zu Formaldehyd effizient und stabil in einem einzigen Vorgang aus. Dank seiner hohen Toleranz gegenüber Formiat eignet sich das Enzym besonders für industrielle Anwendungen und ebnet den Weg für eine ressourcenschonende Chemie.
Einbau eines synthetischen Stoffwechsel-Bypasses
Die neue enzymatische Lösung baut auf der Etablierung eines vollständig künstlichen Stoffwechselweges in E. coli-Bakterien auf. Während natürliche Prozesse das Zwischenprodukt Formaldehyd meist umgehen, schufen die Forschenden durch einen synthetischen Formylphosphat-Weg eine gezielte Brücke, um CO2 effizienter in den Zellstoffwechsel zu integrieren. Kooperationspartner Dr. Sebastian Wenk von der Universität Groningen betont die Tragweite dieses Erfolgs: „Unsere Arbeit zeigte, dass ein synthetischer Stoffwechselweg zur Verarbeitung von Formiat in lebenden Organismen funktioniert – ein bedeutender Schritt zur Entwicklung biotechnologisch nutzbarer Mikroorganismen, die aus CO2 gewonnenes Formiat zur Herstellung von Lebensmitteln, Kraftstoffen und Materialien einsetzen können.“
Da das Formaldehyd von der Zelle unmittelbar weiterverarbeitet wird, reichert es sich nicht an. Dies ist entscheidend, da die künstliche Verbindung zum Zellstoffwechsel gegen den über Millionen von Jahren optimierten natürlichen Stoffwechsel bestehen muss. Im Gegensatz zu bisherigen, fehleranfälligen Kaskaden, die instabile Zwischenprodukte freisetzten, ermöglicht der neue Ansatz eine stabilere Verarbeitung. Langfristiges Ziel der Biotechnologie ist dabei eine „Vollformiat-Diät“, bei der Mikroorganismen ohne teure Zusätze ausschließlich mit Ameisensäure wachsen und gedeihen können.
Ein einziges Enzym führt den entscheidenden Schritt aus
Der Forschungsgruppe gelang kürzlich ein entscheidender Durchbruch mit der Entwicklung eines maßgeschneiderten Formiat-Reduktase-Enzyms (FAR), das Ameisensäure präzise und robust in Formaldehyd umsetzt. Das Enzym basiert auf einer Carboxylsäure-Reduktase (CAR) des Bakteriums Mycobacteroides abscessus und wurde mittels gezielter Mutagenese sowie Hochdurchsatz-Screening so modifiziert, dass es bevorzugt kleine Moleküle wie Formiat verarbeitet. „Mit FAR haben wir erstmals ein einzelnes, robustes Enzym, das Formiat zuverlässig zu Formaldehyd reduziert – genau dort, wo viele biotechnologische Wege beginnen“, erklärt Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin Dr. Maren Nattermann. „Damit schaffen wir einen fehlenden Baustein für künftige Biokonversionen, die direkt auf CO2-basierten Rohstoffen beruhen.“
Ein wesentlicher Vorteil des neuen Enzyms ist seine Widerstandsfähigkeit gegenüber hohen Substratkonzentrationen. „Das Wichtigste ist, das unser Enzym selbst hohe Formiatkonzentrationen toleriert – denn unter diesen Bedingungen versagten frühere Systeme nahezu vollständig.“, ergänzt der Erstautor der Studie, Philipp Wichmann. Diese Stabilität macht FAR besonders attraktiv für industrielle Anwendungen, in denen Formiat elektrochemisch in hohen Konzentrationen erzeugt wird. Um dieses Ergebnis in kurzer Zeit zu erreichen, setzte das Team auf moderne Hochdurchsatzmethoden. „Nach dem Screening von etwa 4.000 Varianten erzielten wir eine fünffache Steigerung der Formaldehydproduktion“, erläutert Maren Nattermann.
Dank seiner Vielseitigkeit kann FAR sowohl in lebenden Zellen als auch in zellfreien Systemen oder elektrobiochemischen Produktionslinien eingesetzt werden. Dies eröffnet neue Wege, um Grundchemikalien, Biokunststoffe oder Treibstoffe aus CO2-basiertem Formiat zu gewinnen. Für die Zukunft planen die Forschenden bereits, FAR mit weiteren synthetischen Stoffwechselwegen zu kombinieren. Damit könnte man beispielsweise die Produktion energiereicher Moleküle zu ermöglichen.
Quelle
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (12/2025)
Publikation
Wichmann, P.; Cox-Fermandois, C.; Küffner, A.M.; Linne, U.; Erb, T.; Nattermann, M.
Engineering a Formic Acid Reductase
ACS Catalysis 15, 20485–20495 (2025)
https://dx.doi.org/10.1021/acscatal.5c04079
Bakker, J.; Boinot, M.; Schann, K.; Kahnt, J.; Glatter, T.; Erb, T. J.; Nattermann, M., Wenk, S.
Evolution-assisted engineering of formate assimilation via the formyl phosphate route in Escherichia coli
Metabolic Engineering 93:208-217 (2026)
Epub 2025 Oct 15
https://dx.doi.org/10.1016/j.ymben.2025.10.004