Gentechnik: Mit molekularer Schere die pflanzliche Chromosomenzahl verändern

26. November 2025

Die Anforderungen an Nutzpflanzen steigen kontinuierlich, sei es hinsichtlich höherer Erträge, verbesserter Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten oder Anpassung an Klimaveränderungen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, entwickeln Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie neue gentechnische Verfahren. In einer Kooperation mit anderen Forschenden gelang es ihnen nun erstmals, die Chromosomenzahl der Modellpflanze Arabidopsis thaliana mithilfe der molekularen Schere CRISPR/Cas gezielt zu verändern. Bemerkenswert ist dabei, dass sich dieser Eingriff nicht nachteilig auf das Wachstum der Pflanze auswirkte. Diese Entdeckung eröffnet neue Möglichkeiten für die Pflanzenzüchtung und die Landwirtschaft.

CRISPR/Cas zur Chromosomen- und Gen-Veränderung

Mithilfe der molekularen Schere CRISPR/Cas ist es den Forschenden in den letzten Jahren gelungen, nicht nur einzelne Gene zu verändern, sondern auch ganze Chromosomen zu manipulieren. Dieser gezielte Eingriff ermöglicht es, in Kulturpflanzen gewünschte Eigenschaften präzise zu kombinieren oder unerwünschte Merkmale gezielt zu eliminieren. „Jetzt haben wir einen neuen Durchbruch geschafft: Wir konnten bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana, auch Ackerschmalwand genannt, mithilfe der Genschere erstmals bei Pflanzen die Chromosomenzahl verändern“, sagt Professor Holger Puchta. „Chromosomen sind deshalb so wichtig und interessant, weil wir hier Einheiten haben, auf denen verschiedene Gene angeordnet sind, die gemeinsam vererbt werden.“

Aufbau und Bedeutung von Chromosomen

Chromosomen sind winzige, fadenförmige Strukturen im Zellkern von Lebewesen. Sie enthalten die Gene mit den gesamten Erbinformationen, welche für das Aussehen, die Entwicklung oder die Abwehr von Krankheiten entscheidend sind. Jedes Lebewesen besitzt eine bestimmte Anzahl von Chromosomenpaaren, da jeweils ein Chromosom von jedem Elternteil vererbt wird. Zum Beispiel besitzt der Mensch 23 Paare, eine Tomate 12 Paare und die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) lediglich fünf Paare (zehn einzelne Chromosomen). Eine Abweichung von dieser artspezifischen Chromosomenanzahl führt in der Regel zu Störungen oder Beeinträchtigungen. „Bisher war unklar, wie eine Veränderung der Chromosomenzahl Pflanzen beeinflusst“, so Puchta. „Unsere Experimente haben überraschenderweise gezeigt, dass sich das nicht nachteilig auf ihre Entwicklung auswirkt.“

Neue Möglichkeiten der Genkombination

Um die Chromosomenzahl zu verringern, wählten die Forschenden einen gezielten Ansatz. Sie übertrugen die beiden Arme eines Chromosoms auf ein anderes. Dadurch konnten sie effektiv zwei Chromosomen zu einem einzigen verschmelzen. Pflanzenzellen enthalten stets ein Paar identischer Chromosomen. Deshalb führte diese Fusion zur Entstehung von Pflanzen, die nur noch acht statt der üblichen zehn Chromosomen besaßen. Also vier statt fünf Paare. „In der Evolution kam es bei der Bildung neuer Pflanzenarten öfter zu Veränderungen der Chromosomenzahl“, erklärt Dr. Michelle Rönspies. „Wir konnten nun erstmals einen solchen Vorgang im Labor nachbilden. Das ist für uns ein großer Schritt, um besser zu verstehen, wie sich genetisches Material verändern kann.“ Die durchgeführten strukturellen Veränderungen der Chromosomen wurden anschließend von einem Team um Professor Andreas Houben mithilfe von Mikroskopie bestätigt.

Durch die gezielte Modifikation der Chromosomenstruktur kann also auch die Art und Weise beeinflusst werden, wie Gene während der Fortpflanzung neu kombiniert werden. „Das ist besonders für die Pflanzenzüchtung interessant, weil man damit bestimmte Eigenschaften gezielter vererben kann“, sagt Rönspies.

Veränderte Chromosomenzahl beeinflusst Kreuzbarkeit

Die Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum der Arabidopsis thaliana mit reduzierter Chromosomenzahl wurde von einer Forschungsgruppe um Professor Jiří Fajkus vom Central European Institute of Technology in Brünn untersucht. Die Gruppe konnte nachweisen, dass sich Pflanzen mit nur acht Chromosomen im Wachstum genauso verhielten wie solche mit den normalen zehn Chromosomen.

Obwohl die Pflanzen selbst keine sichtbaren Unterschiede im Wuchs zeigten, wiesen ihre Nachkommen, die aus Kreuzungen mit normalen Pflanzen entstanden, deutlich weniger Samen auf. Der Grund dafür liegt darin, dass sich die veränderten Chromosomen bei der Fortpflanzung nicht mehr richtig mit den unveränderten Chromosomen paaren konnten. „Dadurch entstehen fehlerhafte Keimzellen, was die Fruchtbarkeit senkt“, so Puchta. „Untereinander sind die Pflanzen aber so fruchtbar wie vorher.“

Potenzial zur genetischen Isolation

Solche Veränderungen der Chromosomen könnten langfristig dafür genutzt werden, Nutzpflanzen genetisch von ihren wilden Verwandten zu isolieren, Auf diese Weise kann man ungewollte Auskreuzungen und die damit verbundenen unkontrollierten Genübertragungen verhindern. „Unsere Ergebnisse demonstrieren, wie flexibel Pflanzengenome gegenüber massiven Umstrukturierungen sind“, so Puchta. „Unser Ansatz bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, weitere Einblicke in die Genomentwicklung und potenzielle biotechnologische Anwendungen zu gewinnen.“

Quelle

Karlsruher Institut für Technologie / Informationsdienst Wissenschaft e. V. (11/2025)

Publikation

Michelle Rönspies, Solmaz Khosravi, Ondřej Helia, Alessandro Valisi, Jiří Fajkus, Miloslava Fojtová, Andreas Houben, Holger Puchta: CRISPR/Cas-mediated heritable chromosome fusions in Arabidopsis. Science, 2025. DOI: 10.1126/science.adz8505.
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adz8505

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