Ein internationales Forschungsteam, zu dem auch die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gehört, arbeitet an innovativen Lösungen für eine umwelt- und klimafreundliche Transformation der chemischen Industrie. Ihr Fokus liegt auf der Entwicklung ungiftiger, biologisch abbaubarer Lösungsmittel, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Damit soll eine nachhaltige Alternative zu den herkömmlichen, meist auf Erdöl basierenden Flüssigkeiten wie Aceton, Methanol oder Toluol geschaffen werden.
Seit 2025 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dieses ambitionierte Forschungsprojekt mit 3,2 Millionen Euro. Unter dem Titel FOR 5730 „Maßgeschneiderte Deep Eutectic Solvents für die Biokatalyse – DESMOL2PRO“ ist es das Ziel, diese neuartigen Lösungsmittel gezielt für industrielle Anwendungen nutzbar zu machen, beispielsweise in der Medikamentenherstellung oder der Produktion von Bioplastik. Dadurch sollen biochemische Prozesse sauberer, effizienter und kreislauffähiger gestaltet werden. Neun Teams aus Deutschland, Österreich und Kroatien forschen gemeinsam daran, wie sich sogenannte Deep Eutectic Solvents (DES) auf Enzyme, die hochspezialisierten Eiweiße, die biochemische Reaktionen steuern, in biokatalytischen Reaktionen auswirken.
DES sind Stoffgemische, die typischerweise aus mindestens einer festen Substanz bestehen und bei Raumtemperatur flüssig werden. Oft lassen sie sich aus natürlichen Rohstoffen wie Cholinchlorid (ein Vorläufer von Vitamin B) und organischen Verbindungen wie Ethylenglykol oder Harnstoff herstellen. Sie gelten als vielversprechende Alternative zu den bislang in der chemischen Industrie genutzten, meist auf Erdöl basierenden, oft giftigen und in der Regel schlecht abbaubaren Lösungsmitteln.
Die Wahl des richtigen Lösungsmittels entscheidet über Wirkung
„Enzyme sind hochwirksame Eiweißmoleküle, die in Zellen biochemische Reaktionen beschleunigen – ähnlich wie ein Katalysator in einem Auto, nur viel gezielter und umweltschonender“, erklärt Prof. Dr. Jan von Langermann, Co-Sprecher des Projekts und Chemiker, der im Rahmen einer Heisenberg-Professur seit 2022 am Institut für Chemie der Universität Magdeburg forscht. „Sie ermöglichen in und auch außerhalb von Zellen biochemische Umsetzungen bei milden Temperaturen und ohne giftige Nebenprodukte. Deshalb werden sie schon heute in der Herstellung von Medikamenten, Lebensmitteln oder Feinchemikalien eingesetzt.“ Doch diese Enzyme seien empfindlich, so der Wissenschaftler weiter. Die Wahl des richtigen Lösungsmittels entscheide darüber, ob sie aktiv bleiben oder ihre Wirkung verlieren. „In vielen herkömmlichen Lösungsmitteln arbeiten Enzyme nur schlecht oder gar nicht. DES können dagegen häufig die Struktur und Stabilität von Enzymen erhalten, sogar die Aktivität der Katalysatoren gezielt beeinflussen und gleichzeitig eine auf spezifische Anwendungen zugeschnittene Weiterverarbeitung ermöglichen.“ Damit ließen sich biochemische Reaktionen schneller, sauberer und nachhaltiger gestalten.
Die Rolle der Chemieindustrie und das Potenzial von Deep Eutectic Solvents (DES)
Der Wissenschaftler betont, dass die Chemieindustrie eine der Schlüsselbranchen Deutschlands ist, die im Jahr 2023 einen Jahresumsatz von rund 260 Milliarden Euro erwirtschaftete und über 475.000 Menschen beschäftigt. Lösungen wie Deep Eutectic Solvents (DES) könnten entscheidend dazu beitragen, die Abhängigkeit von Erdöl zu reduzieren und stattdessen grüne Wertschöpfungsketten aufzubauen. Dies wäre in verschiedenen Bereichen denkbar, etwa bei der Herstellung von Medikamenten, Bioplastik oder Feinchemikalien.
„Wir wollen verstehen, wie DES Enzyme beeinflussen, welches System zu welchem Enzym passt und wie wir diese Erkenntnisse für industrielle Prozesse nutzen können“, erklärt Prof. von Langermann. Die neuen Lösungsmittel könnten sich künftig maßgeschneidert an Anwendungen anpassen lassen – eine wichtige Voraussetzung für nachhaltige Produktionsverfahren im Sinne der Kreislaufwirtschaft. „So könnte ein grundlegender Wandel in der chemischen Industrie gelingen: weg von fossilen Rohstoffen, hin zu einer ressourcenschonenden ,Grünen Chemie‘“.