Fibrose sichtbar machen – bevor es zu spät ist

6. August 2025

Giuseppe Antoniazzi, ein Pioneer Fellow, arbeitet an der Entwicklung eines Diagnostik-Toolkits, das frühe Hinweise auf fibrotische Erkrankungen geben soll. Sein Ziel ist es, Gewebevernarbungen, die bisher oft zu spät erkannt werden und kaum aufzuhalten sind, rechtzeitig zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu ermöglichen.
Fibrose ist eine tückische Erkrankung, bei der Narbengewebe zunehmend und irreversibel gesundes Gewebe verdrängt. Dies führt dazu, dass wichtige Organe wie Lunge, Leber oder Nieren ihre Funktion verlieren. Besonders dramatisch ist die Situation bei Lungenfibrose: Mehr als 80 Prozent der Fälle werden erst in einem späten Stadium diagnostiziert, wenn das Lungengewebe bereits großflächig vernarbt und nicht mehr zu retten ist. Die Lebenserwartung der Patient:innen beträgt dann oft nur noch drei bis fünf Jahre.

Hier setzt die Forschung von Giuseppe Antoniazzi an. Als Doktorand entwickelte er im Rahmen eines Pioneer Fellowships ein diagnostisches Werkzeug zur frühzeitigen Erkennung fibrotischer Erkrankungen. Seine Arbeit basiert auf einer Erfindung aus dem Wennemers-Labor. Antoniazzi erklärt: „Wir haben eine chemische Sonde entwickelt, die auf die Aktivität eines Enzyms reagiert, das als einer der Haupttreiber der Fibrose gilt.“ Dabei handelt es sich um die Lysyl-Oxidase, kurz LOX, ein Enzym, das maßgeblich an der Umwandlung von gesundem Gewebe in Narbengewebe beteiligt ist.

Ein fluoreszierendes Frühwarnsystem

Die entwickelte Sonde ist so unscheinbar wie wirkungsvoll: Sie erscheint als weißes Pulver, das sich in Wasser auflöst. Trifft sie auf Gewebe, beispielsweise in einer Biopsie, oder auf Körperflüssigkeiten, in denen das Enzym LOX aktiv ist, beginnt sie blau zu fluoreszieren. „Entscheidend ist, dass wir nicht nur die Anwesenheit des Enzyms nachweisen, sondern dessen tatsächliche Aktivität“, betont Antoniazzi.
Sein Ziel ist es, mit dieser Sonde eine Art Frühwarnsystem zu etablieren. Obwohl LOX auch in gesundem Gewebe in geringen Mengen aktiv ist, steigt seine Aktivität bei einer beginnenden Fibrose stark an. „Wenn wir diesen Anstieg rechtzeitig erkennen, können Ärztinnen und Ärzte früh eingreifen – bevor das Gewebe irreversibel geschädigt ist“, so Antoniazzi.

Die entwickelte Sonde stellt ein Novum in der Diagnostik fibrotischer Erkrankungen dar, da sie eine frühzeitige Erkennung ermöglicht. Bislang wird beispielsweise Lungenfibrose oft über ein Ausschlussverfahren diagnostiziert: Eine Patientin mit anhaltendem Husten wird zunächst auf diverse Krankheiten untersucht, und erst wenn keine andere Ursache gefunden wird, bleibt oft Fibrose als Diagnose. „Dabei können schnell zwei Jahre vergehen – eine Zeit, in der die Krankheit bereits hätte behandelt werden können“, kritisiert Antoniazzi. Selbst die heute als Goldstandard geltende hochauflösende Computertomographie (HRCT) erkennt Fibrose erst, wenn die Gewebestruktur bereits verändert und es somit zu spät ist.

Der lange Weg vom Labor auf den Markt

Der Weg zur klinischen Anwendung ist noch lang, doch Antoniazzi und sein Team machen Fortschritte. Anfangs wurde die Sonde hauptsächlich an Gewebeproben getestet. Da Biopsien jedoch oft erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien durchgeführt werden, verlagerte Antoniazzi den Fokus zu Beginn seines Fellowships auf flüssige Proben wie Blutserum. Er betont: „Wenn wir die Sonde für Blutserum validieren könnten, wäre das ein großer Schritt hin zur frühen Diagnostik.“ Antoniazzi plant, die Sonde mit dem geplanten ETH-Spin-off „FibroTech Solutions“ zur Marktreife zu bringen. „Wir sind noch in einer frühen Phase, wissen inzwischen aber genau, worauf wir unsere Validierung ausrichten müssen“, erklärt er.

Eine der anfänglichen Herausforderungen bestand darin, das Produkt verständlich und überzeugend zu kommunizieren. Antoniazzi erkannte die Notwendigkeit, „den besten Weg zu finden, um ein neues Diagnoseinstrument einzuführen, das den aktuellen Verfahren und Anforderungen entspricht, und deshalb müssen wir auch den Markt verstehen.“ Daher konzentrierte er sich in der Anfangsphase darauf, das Marktumfeld zu analysieren und sich gezielt an den Bedürfnissen der Nutzer:innen auszurichten.

Ein besonderer Erfolg war Giuseppe Antoniazzis dritter Platz beim 3Pi-Wettbewerb der ETH Zürich, bei dem er sein Start-up in drei Minuten präsentierte. Er zeigte sich überwältigt von der großen Unterstützung, die junge Start-ups an der ETH Zürich und in der Schweiz erfahren, sei es durch Expertise, Zeit oder Netzwerke.
Sein Start-up FibroTech Solutions wird von einem wachsenden Netzwerk klinischer Partner, darunter das Universitätsspital Zürich und das Kinderspital Zürich, unterstützt. Gemeinsam testet das Team die Sonde in verschiedenen Anwendungsbereichen, von Lungenfibrose bis hin zu seltenen Erkrankungen im Kindesalter. Antoniazzi betont die breite Anwendbarkeit der Sonde auf alle Formen von Fibrose, stellt jedoch klar: „Aber wir müssen sorgfältig priorisieren, um unsere Ressourcen gezielt einzusetzen. Den diagnostischen Werkzeugkasten können wir später schrittweise ausweiten.“

Wie geht es nun weiter? Antoniazzi hofft, dass FibroTech Solutions in fünf Jahren für die erste Indikation auf dem Markt sein könnte. Bis dahin sei es entscheidend, ein starkes Team aufzubauen und die richtigen Anwendungsbereiche zu wählen. „Fibrose kann viele Organe betreffen – Lunge, Leber, Haut, Nieren“, erklärt er. „Wir müssen jetzt klug vorgehen, um Wirkung zu erzielen.“ Seine Vision ist klar: „Wenn wir es schaffen, Fibrose früh zu erkennen und rechtzeitig eine Behandlung zu ermöglichen, können wir das Leben vieler Menschen entscheidend verbessern.“

Quelle

Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (07/2025)

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