Forschende in Konstanz und Göttingen haben ein Protein identifiziert, das für den mehrjährigen Pausenzustand von Eizellen während ihrer Reifung verantwortlich ist. Der Befruchtungsprozess beginnt lange vor der eigentlichen Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Die Entwicklung einer befruchtungsfähigen Eizelle ist ein komplexer biologischer Vorgang. Er startet bereits im weiblichen Embryo, pausiert aber bald nach der Geburt. Erst viele Jahre später, frühestens in der Pubertät, wird die Reifung fortgesetzt.
Ein bemerkenswertes Merkmal reifer, aber noch unreifer Eizellen ist die fast vollständige Einstellung der Transkription. Dieser Vorgang, bei dem unsere Gene in sogenannte Boten-RNAs umgeschrieben werden, ist für die Produktion von Proteinen unerlässlich und findet normalerweise ständig in Zellen statt. Um ihre Reifung fortzusetzen, müssen sich die Eizellen auf einen Vorrat an Boten-RNAs verlassen, der bereits vor der langen Pause angelegt wurde.
„Wie genau bei Wirbeltieren die Übersetzung dieses Vorrats an Boten-RNA in Proteine teils über Jahre hinweg unterdrückt und damit die Pausierung der Eizellenreifung aufrechterhalten wird, war bisher wenig bekannt“, so Thomas Mayer, Molekulargenetiker der Universität Konstanz.
Ein Protein verhindert das Voranschreiten
In ihrer jüngsten Untersuchung sind Mayer und sein Team zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Konstanz und Göttingen der Lösung dieses biologischen Rätsels ein großes Stück nähergekommen. Sie haben das Protein Translationsrepressor 4E-T als einen zentralen Akteur für die Aufrechterhaltung des Pausenzustands in Eizellen identifiziert. Durch Experimente, bei denen sie dieses Protein gezielt aus den Eizellen von Fröschen und Mäusen entfernten, konnten sie nachweisen, dass eine drastische Reduktion von 4E-T ausreicht, um die Reifepause aufzuheben.
„Der Verlust des Proteins 4E-T während der Reifungspause führt zu einer breiten Hochregulierung der Übersetzung von Boten-RNAs in die zugehörigen Proteine. Zusammen mit Florian Stengel, einem Experten für Massenspektrometrie an der Universität Konstanz, konnten wir nachweisen, dass darunter auch wichtige Regulatoren des Reifungsprozesses sind, die – einmal aktiviert – die nächsten Schritte der Eizellenreifung einleiten“, berichtet Mayer.
Teil eines größeren Interaktionsnetzwerks
Die Forschenden konnten zudem wichtige Interaktionspartner von 4E-T identifizieren, die für dessen Rolle bei der Unterdrückung der Translation in ruhenden Eizellen unerlässlich sind. Hierbei sticht besonders das RNA-bindende Protein PATL2 hervor, da es spezifisch in Eizellen vorkommt. „Wir gehen anhand unserer Analysen davon aus, dass die Interaktion von 4E-T mit PATL2 den Kern eines großen Interaktionsnetzwerks aus Proteinen bildet, das dafür sorgt, dass 4E-T sich an Boten-RNAs anlagern und so in letzter Konsequenz deren Translation unterdrücken kann“, so Mayer.
Interessanterweise werden beim Menschen Mutationen des 4E-T-Gens mit vorzeitiger Ovarialinsuffizienz in Verbindung gebracht, was einen ungewöhnlich frühen Beginn der Menopause bedeutet und zu Fruchtbarkeitsstörungen führen kann. Die Erkenntnisse der aktuellen Studie könnten daher in Zukunft dabei helfen, solche Störungen der Eizellenreifung besser zu verstehen.
Quelle
Universität Konstanz (08/2025)
Publikation
A. Heim, S. Cheng, J. Orth, F. Stengel, M. Schuh & T. U. Mayer (2025) Translational repression by 4E-T is crucial to maintain the prophase-I arrest in vertebrate oocytes. Nature Communications 16, 8051 (2025).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-62971-9