Ein interdisziplinäres Forschungsteam hat in einer aktuellen Studie gezeigt, wie ein Bodenbakterium zur Inspirationsquelle für neue Wirkstoffe werden kann. Durch die genetische Analyse des Pflanzenpathogens Pseudomonas syringae konnten die Wissenschaftler neue Einblicke in dessen chemische Vielfalt gewinnen. Dabei wurden zwei bisher unbekannte Naturstoff-Familien entdeckt: die Syrilipamide und die Secimide. Besonders interessant ist, dass die Syrilipamide und Secimide in Kombination schädlich wirken. Darüber hinaus zeigten die Secimide auch eine Aktivität gegen Pilze, was ihr Potenzial als neue Wirkstoffe unterstreicht.
Die Vielfalt im Genom spiegelt Anpassungsfähigkeit wider
Das Bakterium Pseudomonas syringae ist nicht nur ein Pflanzenkrankheitserreger, der immense Schäden in der Landwirtschaft verursacht, sondern auch ein Produzent einer beeindruckenden Vielfalt biologisch aktiver Naturstoffe. Es wird vermutet, dass diese Stoffe dem Bakterium helfen, sich an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen und Konkurrenten zu verdrängen.
Um dieses Potenzial zu entschlüsseln, führte ein Forschungsteam eine umfassende genomische Analyse von 18 repräsentativen Stämmen der Bakterienart durch. Mithilfe modernster bioinformatischer Methoden untersuchten sie das genetische Potenzial zur Bildung von Naturstoffen und konnten dabei insgesamt 231 Biosynthese-Gencluster identifizieren. Diese Gencluster sind entscheidend, da sie die Enzym-codierenden Gene enthalten, die für die Synthese der Naturstoffe verantwortlich sind. Besonders auffällig war die hohe Anzahl an Genen für Nichtribosomale Peptidsynthetasen (NRPS). NRPS sind bekannt für die Produktion von Naturstoffen, die Bakterien beispielsweise dabei unterstützen, sich gegen Konkurrenten zu behaupten und sich an ihre Umgebung anzupassen.
Naturstoffe mit besonderen Eigenschaften
Durch eine geschickte Kombination aus bioinformatischen Analysen, chemischer Strukturbestimmung und biologischen Aktivitätstests ist es gelungen, zwei neue Familien von Naturstoffen zu identifizieren und zu charakterisieren: die Syrilipamide und die Secimide. Beide sind niedermolekulare Verbindungen, die vom Bakterium Pseudomonas syringae produziert werden. Diese neu entdeckten Moleküle zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Toxizität gegenüber konkurrierenden Mikroorganismen aus, wobei sie insbesondere Pilze und sogar Amöben schädigen. Ihre selektive Wirkung macht sie besonders vielversprechend für zukünftige Anwendungen, beispielsweise für den gezielten Schutz von Pflanzen oder als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer bioaktiver Substanzen.
Das Enzym SecA erweitert chemisches Repertoire
„Wir haben zudem ein bisher unbekanntes Enzym entdeckt: SecA“, sagt Shuaibing Zhang, Erstautor der Studie. „SecA fügt Chlor-Atome an bestimmte organische Verbindungen an, wodurch die strukturelle Komplexität und Aktivität der daraus entstehenden Verbindungen erhöht wird“, ergänzt Pierre Stallforth, der Leiter des Projekts. Solche chlorierten Naturstoffe spielen eine wichtige Rolle in der Pharmaforschung und könnten in Zukunft für die Entwicklung neuer Antibiotika, Krebstherapien oder Pflanzenschutzmittel genutzt werden.
Perspektiven für die Biotechnologie
Die neu entdeckten Naturstoffe könnten aufgrund ihrer Wirkung gegen Amöben und Pilze sowohl für die Landwirtschaft als auch für die pharmazeutische Forschung hochinteressant sein. Das Forschungsteam konzentrierte sich jedoch zunächst auf die natürliche Funktion dieser Moleküle. Es zeigte sich, dass diese dem vielseitigen Bakterium Pseudomonas syringae – welches sowohl ein Pflanzenpathogen als auch ein Produzent bioaktiver Verbindungen ist – bei der Verteidigung gegen Fressfeinde und Konkurrenz sowie der Nischenanpassung im natürlichen Habitat helfen.
Die Erforschung der Bildung mikrobieller Konsortien in der Natur und der Funktion der daran beteiligten Signalstoffe ist entscheidend, um die komplexen ökologischen Wechselwirkungen in unserer Umwelt besser zu verstehen. Dies ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt des Jenaer Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“. An dieser wichtigen Arbeit waren Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt.
Quelle
Publikation
Zhang S, Huang Y, Nachawati R, Huber P, Walther G, Gregor L, Vilotijević I, Stallforth P (2025) Pangenome Analysis of the Plant Pathogen Pseudomonas syringae Reveals Unique Natural Products for Niche Adaptation. Angew Chem Int Ed 64 (25), e202503679, https://doi.org/10.1002/anie.202503679