Durchbruch in der Katalyse-Forschung: mit Nickel CO2 spalten

19. August 2025

Forscher*innen der Technischen Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin im Exzellenzcluster Unifying Systems in Catalysis (UniSysCat) haben den molekularen Mechanismus aufgeklärt, mit dem Bakterien CO₂ effizient in Kohlenmonoxid umwandeln. Die Studie zeigt erstmals alle katalytisch relevanten Zustände des nickelhaltigen Enzyms „Kohlenmonoxid-Dehydrogenase“ (CODH) in atomarer Auflösung – ein Durchbruch für die bioinspirierte Katalyse und den Klimaschutz. Wenn die so gewonnenen Erkenntnisse erfolgreich auf die Entwicklung neuartiger Katalysatoren übertragen werden, kann das den Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Industrie und grünen Chemie massiv beschleunigen.

„Es ist faszinierend, dass wir diesen ausgeklügelten Prozess, den die Evolution in mehreren Milliarden Jahren optimiert hat, nun ganz genau beobachten können“, sagt Dr. Christian Lorent vom Fachgebiet Physikalische und Biophysikalische Chemie der TU Berlin. Der Erfolg, den er gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Strukturbiologie und Biochemie“ von Prof. Dr. Holger Dobbek an der Humboldt-Universität zu Berlin erreicht hat, baut auf jahrzehntelangen Vorarbeiten dutzender Arbeitsgruppen aus vielen verschiedenen Ländern auf. „Allein Holger Dobbek arbeitet an diesem Enzym seit mehr als 25 Jahren. Die große Frage war, welche genaue Funktion der Nickel-Eisen-Komplex hat, der tief verborgen im Zentrum der Kohlenmonoxid-Dehydrogenase sitzt.“

Nickel als Dirigent der Reaktion

„Bakterien nutzen diese Dehydrogenase als biologischen Katalysator, der die Umwandlung von CO2 in CO genauso wie die umgekehrte Reaktion möglich macht,“ erklärt Christian Lorent. Im ersten Fall kann das gebildete, reaktionsfreudigere CO-Molekül sich mit anderen Stoffen zu Substanzen verbinden, die nützlich für den Stoffwechsel des Bakteriums sind. „Wird das Kohlenmonoxid dagegen zu Kohlendioxid verbrannt, wird Energie frei, die das Bakterium nutzen kann.“ Für die Reaktionen nehmen ein Nickel- und ein Eisenatom die Gasmoleküle quasi in die Zange. „Das Nickel-Ion kann Elektronen in das CO2 Molekül injizieren beziehungsweise vom CO aufnehmen. Dabei übernimmt dieses geladene Nickel-Atom auch jeweils die Bindung der beiden Moleküle“, erklärt Lorent.

Kanäle für Moleküle

Da das Reaktionszentrum extrem empfindlich ist und die Reaktion unter Sauerstoffausschluss stattfinden muss, befindet sich der Nickel-Eisen-Komplex tief im Inneren des komplexen Enzyms, das aus Tausenden von Atomen besteht. Spezielle, maßgeschneiderte Kanäle dienen dabei als Transportwege, über die die CO- und CO₂-Moleküle zum Reaktionszentrum und wieder hinaus gelangen, ähnlich wie auf einem Fließband. „Wir können das dank der atomaren Auflösung richtig gut erkennen, wie zum Beispiel ein entstandenes CO-Molekül noch am Nickel gebunden ist und bereits in Richtung seines Kanals zeigt“, sagt Christian Lorent. Die Kanäle sind dabei jeweils so beschaffen, dass nur die gewünschten Moleküle hindurchpassen.

Struktur trifft Spektroskopie: So entstand das vollständige Bild

Mithilfe modernster Verfahren wie Röntgenkristallographie, Infrarot- und Elektronenspinresonanz-Spektroskopie gelang es dem Forschungsteam, alle Zwischenzustände des Prozesses sichtbar zu machen. Diese reichen von der Bindung des CO₂ über dessen Spaltung bis hin zur Entstehung und Freisetzung von CO. Um das Enzym mit der Röntgenkristallographie analysieren zu können, war es zunächst notwendig, die riesigen Moleküle zu kristallisieren. Dabei entsteht eine geordnete Struktur, ähnlich der von Salzkristallen. „Erst durch die Kombination dieser Proteinkristallographie mit den spektroskopischen Methoden konnten wir ein vollständiges Bild aller Reaktionsschritte gewinnen“, erläutert Lorent. „Das war der entscheidende Fortschritt, der unser mechanistisches Verständnis auf eine neue Stufe gehoben hat.“

Relevanz für Klimaschutz und grüne Chemie

Diese Erkenntnisse gehen über die Grundlagenforschung hinaus, da sie einen Bauplan für die Entwicklung synthetischer Katalysatoren liefern. Solche Katalysatoren könnten CO₂ selektiv und effizient in wertvolle Grundstoffe umwandeln, die beispielsweise für die chemische Industrie oder zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe genutzt werden könnten. „Indem wir die uralten Mechanismen der bakteriellen CO₂-Umwandlung verstehen, können wir sie auf die Entwicklung neuartiger Katalysatoren übertragen, die den Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Industrie beschleunigen könnten“, sagt Yudhajeet Basak, Erstautor der Studie aus der Arbeitsgruppe von Holger Dobbek.

Quelle

Technische Universität Berlin (08/2025)

Publikation

Metalloradical-driven enzymatic CO2 reduction by a dynamic Ni–Fe cluster
https://www.nature.com/articles/s41929-025-01388-5

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