DFG-Senatskommission bewertet das Risiko von Arbeitsstoffen

14. Juli 2025

Die Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat ihre aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen zur Risikobewertung von Arbeitsstoffen vorgelegt und der Bundesministerin für Arbeit und Soziales übergeben. Die jährlich erscheinende MAK- und BAT-Werte-Liste dient als entscheidende Grundlage für die Umsetzung der Gefahrstoffverordnung in Deutschland.

Die Empfehlungen der Senatskommission werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe des Bundesarbeitsministeriums geprüft und können anschließend in gesetzliche Regelungen überführt werden. Die Kommission feiert dieses Jahr ihr 70-jähriges Bestehen und hat die Liste 2025 bereits zum 61. Mal erarbeitet. Eine digitale Fassung der Empfehlungen wird in Kürze auch in englischer und spanischer Sprache im Open Access verfügbar sein, um international als Basis für den Arbeitsschutz zu dienen.

Änderungen und Ergänzungen in der MAK- und BAT-Werte-Liste

Für die aktuellen Empfehlungen hat die Kommission die Risikobewertung von zwölf Arbeitsstoffen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse geändert. Zusätzlich wurden vier neue Substanzen in die Liste aufgenommen: Acetoin, Benzylacetat, Benzylformiat und Benzophenon-3. Die Maximalen Arbeitsplatz-Konzentrationen (MAK-Werte) geben dabei an, welche Stoffmengen in der Arbeitsplatzluft langfristig unbedenklich sind.

Die Empfehlungen umfassen auch Beurteilungswerte in Blut und Urin (Biologische Arbeitsstoff-Toleranzwerte, BAT-Werte und Biologische Arbeitsstoff-Referenzwerte, BAR), um die individuelle Belastung durch Arbeitsstoffe arbeitsmedizinisch-toxikologisch bewerten zu können. In diesem Jahr wurden die Beurteilungswerte im biologischen Material für fünf Substanzen angepasst. Darüber hinaus informiert die Liste, ob Arbeitsstoffe Krebs erzeugen, Keimzellen oder das ungeborene Kind schädigen, Haut oder Atemwege sensibilisieren oder in toxischen Mengen über die Haut aufgenommen werden können.

Lithium und Formaldehydabspalter im Fokus

Im vergangenen Jahr konzentrierte sich die DFG-Kommission intensiv auf Formaldehydabspalter, chemische Verbindungen, die in Produkten wie Kosmetika, Farben und Kühlschmierstoffen zur Vermeidung von Mikroorganismen eingesetzt werden. Da Formaldehyd bei Überschreitung des MAK-Wertes krebserregend auf die oberen Atemwege wirken kann, ist bei der Bewertung dieser Abspalter die Freisetzungsdynamik entscheidend, die unter anderem vom pH-Wert beeinflusst wird. Die Kommission betont die Notwendigkeit einer breiteren wissenschaftlichen Diskussion über die Freisetzung von Formaldehyd aus diesen Substanzen, um die resultierenden Wirkmechanismen im menschlichen Körper besser zu verstehen. Ein separater Artikel zu diesem Thema wird in Kürze in einem Fachmagazin erscheinen.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Alkalimetall Lithium, einem wesentlichen Bestandteil moderner Technologien, insbesondere in Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge und tragbare Elektronik. Angesichts des zunehmenden Einsatzes und potenzieller negativer Auswirkungen auf Beschäftigte sowie die Umwelt hat die Kommission den Biologischen Arbeitsstoff-Referenzwert für Lithium auf Basis aktueller Literatur neu bewertet. Dies ermöglicht die Überprüfung, ob der Lithiumspiegel bei beruflich belasteten Personen über der Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung liegt, was auf eine berufliche Exposition hinweisen würde.

Insgesamt veröffentlichte die Kommission im vergangenen Jahr 94 Publikationen. „Diese große Anzahl an Veröffentlichungen verdeutlicht einmal mehr das hohe ehrenamtliche Engagement aller Wissenschaftler*innen, die in der Kommission zusammenarbeiten“, sagte die Kommissionsvorsitzende Professorin Dr. Andrea Hartwig vom Karlsruher Institut für Technologie in Karlsruhe.

Für alle überprüften Stoffe werden ausführliche wissenschaftliche Begründungen bereitgestellt. Um sicherzustellen, dass die Empfehlungen stets dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprechen, stehen alle Vorschläge für Änderungen und Neuaufnahmen bis zum 31. Dezember 2025 zur Diskussion. Bis zu diesem Datum können der Kommission neue Daten oder wissenschaftliche Kommentare vorgelegt werden.

Daten- oder KI-basierte Simulationsansätze ergänzen konventionelle Untersuchungsmethoden

Die DFG-Kommission erstellt ihre umfassenden wissenschaftlichen Empfehlungen für Grenzwerte auf Basis einer detaillierten Analyse aller verfügbaren Informationen zu einer Substanz. Dies beinhaltet Daten aus Humanstudien, Erkenntnisse aus Tiermodellen im Abgleich mit Humandaten sowie Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus der Substanz, etwa in Zellkulturen. Diese Bewertung erfordert die interdisziplinäre Expertise von Wissenschaftler:innen, die eng zusammenarbeiten.

In den letzten Jahren wurden zudem zahlreiche New Approach Methods (NAMs) entwickelt, darunter daten- oder KI-basierte Simulationsansätze und Hochdurchsatz-Testsysteme. Die Kommission sieht diese als sinnvolle Ergänzung zu konventionellen toxikologischen Methoden an. Jedoch sind sie aktuell noch nicht ausreichend fortgeschritten, um sie allein für eine quantitative Risikobewertung und Grenzwertableitung zuverlässig zu nutzen oder Tierversuche vollständig zu ersetzen.

Alle Stoffbegründungen und Methodenbeschreibungen der Senatskommission sind in der MAK Collection öffentlich zugänglich, um eine umfassende wissenschaftliche Nachnutzung zu ermöglichen.

MAK- und BAT-Werte-Liste

MAK Collection

Quelle

Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V. (07/2025)

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