Abwehrzellen aufrüsten: Neue CRISPR-Methode stärkt CAR-T-Zellen im Kampf gegen Krebs

2. Oktober 2025

Die Einführung der CAR-T-Zellen hat die Behandlung bestimmter Blutkrebserkrankungen zwar revolutioniert, doch ihre Wirksamkeit reicht noch oft nicht aus. Ein Forschungsteam des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der ÖAW und der Medizinischen Universität Wien hat nun eine neue Strategie entwickelt, um diese Zelltherapie gezielt zu verbessern. Mithilfe der „Genschere“ CRISPR gelang es den Forschenden, unerwartete genetische Veränderungen zu entdecken, die CAR-T-Zellen zu deutlich wirksameren Krebstherapeutika machen.

CAR-T-Zellen: Meilenstein mit Optimierungsbedarf

CAR-T-Zellen gelten als Meilenstein der modernen Krebstherapie. Es handelt sich dabei um körpereigene Immunzellen der Patientinnen und Patienten, genauer gesagt T-Zellen, die im Labor gentechnisch „scharf gemacht“ werden. Sie fungieren als „lebende Medikamente“, die im Körper gezielt Krebszellen jagen. Hierfür wird ihnen ein „Chimeric Antigen Receptor“ (CAR) eingesetzt, der es ihnen ermöglicht, Tumorzellen zu erkennen.

Dieser Ansatz hat bereits zahlreichen Menschen mit schwer behandelbaren Blutkrebserkrankungen das Leben gerettet. Allerdings lassen die CAR-T-Zellen bei einem Großteil der Patientinnen und Patienten entweder ihre Schlagkraft nach oder wirken von Anfang an nicht stark genug. Um diese Schwäche zu überwinden und die Funktion der CAR-T-Zellen systematisch zu verstärken, entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am CeMM und an der Medizinischen Universität Wien eine innovative Methode.

Die Studie beschreibt eine Plattform namens CELLFIE, die CAR-T-Zellen mit der CRISPR-Genschere systematisch verändert und dann ihre Durchschlagskraft untersucht. „Unsere Plattform testet tausende genetische Veränderungen parallel und zeigt auf, welche davon die CAR-T-Zellen fitter, effektiver oder weniger erschöpft machen“, erklärt Erstautor Paul Datlinger.

Weniger ist mehr: Immunfaktor hindert CAR-T-Zellen bei der Arbeit

Im Zuge ihrer Untersuchungen stießen die Forschenden auf eine Überraschung: Das gezielte Ausschalten des Gens RHOG – welches eigentlich einen wichtigen Bestandteil unseres Immunsystems darstellt – führte in präklinischen Modellen zu einer deutlich stärkeren Wirksamkeit der CAR-T-Zellen gegen Leukämie. Die Erklärung dafür liegt in einem fundamentalen Unterschied: Während natürliche T-Zellen über Millionen Jahre der Evolution optimiert wurden, sind CAR-T-Zellen künstlich darauf ausgerichtet, Krebszellen anzugreifen. Daher können Gene, die für die natürliche Immunabwehr unverzichtbar sind, im Kontext der künstlichen CAR-T-Therapie tatsächlich hinderlich sein.
„RHOG ist ein perfektes Beispiel dafür“, so die Co-Erstautorin Eugenia Pankevich. „Es erfüllt eine zentrale Funktion in unserem Immunsystem, schwächt aber paradoxerweise die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen. Indem wir dieses Gen mithilfe von CRISPR ausgeschaltet haben, konnten wir das therapeutische Potenzial der CAR-T-Zellen deutlich steigern.“

Mithilfe der eigens entwickelten CELLFIE-Plattform führten die Forschenden zunächst den „Knockout“ von Tausenden verschiedener Gene in CAR-T-Zellen durch. Die vielversprechendsten Kandidaten wurden anschließend mit einer neuartigen CRISPR-Screening-Methode an Mäusen validiert. Das Ergebnis war dabei eindeutig: CAR-T-Zellen, bei denen das RHOG-Gen ausgeschaltet war, zeigten eine deutlich verbesserte Leistung. Sie vermehrten sich besser, erschöpften sich später und kontrollierten Leukämie signifikant effektiver als die herkömmlichen CAR-T-Zellen.

Knockout-Kombination heilt Mäuse von Leukämie

„Wir haben zwei Gen-Knockouts mit sich ergänzenden Eigenschaften gefunden – und gemeinsam wirkten sie noch stärker“, beschreibt Cosmas Arnold, Co-Erstautor die Ergebnisse. „Durch gleichzeitiges Ausschalten von RHOG und FAS erzielten wir einen überraschend synergistischen Effekt: Die genetisch veränderten CAR-T-Zellen vermehrten sich schneller, blieben länger aktiv, zerstörten sich weniger gegenseitig – und konnten Mäuse von einer aggressiven Leukämie heilen.“

Die neue CELLFIE-Plattform stellt nun ein vielseitiges Werkzeug zur systematischen Weiterentwicklung von CAR-T-Zellen und anderen Zelltherapien dar. Die Plattform erlaubt es den Forschenden, weit über klassische Knockout-Experimente (das Ausschalten von Genen) hinauszugehen. Mit CELLFIE können auch kombinatorische Genveränderungen sowie die präzise Editierung einzelner DNA-Positionen getestet werden.

Diese Technologie eröffnet damit völlig neue Möglichkeiten für die Entwicklung maßgeschneiderter Immunzellen mit einem Potenzial, das weit über die Behandlung von Blutkrebs hinausreicht. Denkbare Anwendungsgebiete sind beispielsweise die Therapie solider Tumoren, die Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder der Einsatz in der regenerativen Medizin.

„Unsere Studie liefert nicht nur einen hochinteressanten Kandidaten für künftige klinische Tests gegen bestimmte Formen von Blutkrebs“, betont Christoph Bock, Principal Investigator am CeMM und Professor an der Medizinischen Universität Wien. „Wir präsentieren auch eine neue Methode zur systematischen Verbesserung zellbasierter Immuntherapien und zur Programmierung von Zellen, um sie als wirksame Krebstherapeutika und als lebende Medikamente für eine Vielzahl von Krankheiten einzusetzen.“

Quelle

CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (09/2025)

Publikation

Systematic discovery of CRISPR-boosted CAR T cell immunotherapies
Nature DOI: 10.1038/s41586-025-09507-9.
https://doi.org/10.1038/s41586-025-09507-9

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