Die derzeitige Herstellung des wichtigen Plastikbausteins Ethylen ist mit der Freisetzung großer Mengen an Treibhausgasen verbunden. Forschende des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie haben nun ein Bakterienenzym untersucht, das eine zukünftige, CO₂-emissionsfreie Produktion von Ethylen ermöglichen könnte. Die gewonnenen Ergebnisse liefern die biochemischen Grundlagen zur Entwicklung einer nachhaltigeren biotechnologischen Ethylenproduktion und bieten gleichzeitig Einblicke in frühe biochemische Prozesse auf der Erde.
Ethylenproduktion mit und ohne Bakterien
Derzeit wird Ethylen, ein wichtiger Ausgangsstoff für Kunststoffe und chemische Grundstoffe, großtechnisch aus fossilen Brennstoffen gewonnen, was die Suche nach erneuerbaren Verfahren dringend notwendig macht. Obwohl die Nutzung bakterieller Stoffwechselwege eine mögliche Lösung bietet, sind nur wenige natürliche Enzyme zur Ethylenbildung bekannt, welche zudem oft energiereiche Substrate benötigen und CO₂ als Nebenprodukt freisetzen.
Das wissenschaftliche Interesse war daher groß, als vor einigen Jahren im Bakterium Rhodospirillum rubrum die sogenannte Methylthioalkan-Reduktase entdeckt wurde. Dieses Enzym ermöglicht dem Bakterium die Ethylenproduktion unter sauerstofffreien Bedingungen, ohne jegliche CO₂-Emissionen.
Ganz besondere Enzyme: die „Great Clusters of Biology“
Die Notwendigkeit sauerstofffreier Bedingungen für die Produktion stellte ein Problem dar: Wegen der erheblichen Herausforderungen bei der Aufreinigung und Handhabung des sauerstoffempfindlichen Metalloenzyms konnte die Methylthioalkan-Reduktase bisher nur in Zellkulturen untersucht werden. Ein direkter Nachweis der Aktivität außerhalb der Zelle fehlte somit. Vor einer möglichen biotechnologischen Anwendung blieben daher wichtige Fragen offen, insbesondere zum katalytischen Mechanismus und dessen bestimmenden Eigenschaften.
In einer Zusammenarbeit mit der RPTU Kaiserslautern ist es gelungen, das Enzym aufzureinigen und seine Struktur aufzuklären. Dabei machten die Forschenden eine interessante Entdeckung: „Die Reaktion wird von großen, komplexen Eisen-Schwefel-Clustern angetrieben, von denen man bisher annahm, dass sie nur in den Nitrogenasen, den ältesten Enzymen der Erde, vorkommen“, erklärt Erstautorin Ana Lago-Maciel. „Das Enzym ist das erste Nicht-Nitrogenase-Enzym, von dem bekannt ist, dass es diese Metallcluster enthält.“
Nitrogenasen sind Enzyme, die vor Milliarden von Jahren entstanden sind und die einzige bekannte Möglichkeit bieten, gasförmigen Stickstoff aus der Atmosphäre für Lebewesen verfügbar zu machen. Dies geschieht durch die Reduktion des Stickstoffs, was dessen Einbau in Biomoleküle wie DNA und Proteine ermöglicht. Ihre einzigartige Fähigkeit verdanken sie einer Besonderheit: großen und komplexen Eisen-Schwefel-Clustern. Aufgrund dieser strukturellen Komplexität und ihrer geochemischen Relevanz zählen die Metallcluster der Nitrogenasen zu den „Great Clusters of Biology“.
Darüber hinaus liefert die vorliegende Forschungsarbeit den biochemischen und strukturellen Hintergrund einer geochemisch bedeutsamen Quelle von Kohlenwasserstoffen. „Tatsächlich hat das Enzym eine bemerkenswerte Vielseitigkeit”, erklärt Projektleiter Dr. Johannes Rebelein. „Es kann eine Reihe von Kohlenwasserstoffen produzieren, neben Ethylen auch Ethan oder Methan.“
Blaupausen für eine nachhaltigere Kunststoffindustrie
Das Substratspektrum des Enzyms, das sich stark von dem der Nitrogenasen unterscheidet, eröffnet neue Einblicke, wie die Proteinstruktur die Reaktivität der Metallcluster maßgeblich beeinflusst. „Unsere Arbeit liefert die Grundlage, um diese Enzyme biotechnologisch zu zähmen und ihr Produktspektrum an unsere Bedürfnisse anzupassen“, sagt Johannes Rebelein.
Darüber hinaus können die Ergebnisse ein Hinweis auf die Evolution und Rolle der „Great Clusters“ in der Vergangenheit sein. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass strukturell ähnliche Enzyme diese Cluster bereits für die reduktive Katalyse nutzten, lange bevor sich die Nitrogenasen selbst entwickelten. Dies ist eine dramatische Wende in unserem Verständnis dieses entscheidenden Teils der Lebensgeschichte auf der Erde.“
Quelle
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (10/2025)
Publikation
Lago-Maciel, A.; Soares, J. C.; Zarzycki, J.; Buchanan, C. J.; Reif-Trauttmansdorff, T.; Schmidt, F. V. ; Lometto, S.; Paczia, N.; Schuller, J. M.; Hansen, D. F. ; Heller, G. T.; Prinz, S.; Hochberg, G.; J. Pierik, A. J.; Rebelein, J. G.
Methylthio-alkane reductases use nitrogenase metalloclusters for carbon-sulfur bond cleavage
Nature Catalysis Oct 2025
https://www.nature.com/articles/s41929-025-01426-2
DOI: 10.1038/s41929-025-01426-2