Alte DNA zeigt: Wurzeln der uralischen Sprachen wie Finnisch liegen in Zentralsibirien

4. Juli 2025

Uralische Sprachen wie Finnisch, Ungarisch oder das Jenisseische haben eine interessante Herkunft. Forschende, darunter Ron Pinhasi von der Universität Wien, analysierten das Genom von 180 Individuen aus der Wolga-Ural-Region bis zum Lena-Tal in Zentralsibirien, vom Mesolithikum vor etwa 11.000 Jahren bis zur Bronzezeit vor circa 4.000 Jahren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zwei Populationen mit der frühen Ausbreitung uralischer Sprachen wie Finnisch, Estnisch und Ungarisch sowie mit der Verbreitung des Jenisseischen verbunden sind. Während Letzteres heute nur noch vom Volk der Ket gesprochen wird, wurde es einst in einem größeren Gebiet Sibiriens verbreitet.

Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie vor 10.000 bis 6.000 Jahren spätsteinzeitliche Jägerinnen und Sammlerinnen im Waldgürtel Nordeurasiens durch Vermischung mit wandernden Bevölkerungsgruppen beeinflusst wurden. Zwei archäologische Gruppen hinterließen langfristige sprachliche und demografische Spuren, die entscheidend für die Verbreitung der uralischen Sprachen waren. Das internationale Team aus Genetikern und Archäologen baut auf über einem Jahrzehnt gemeinsamer Arbeit und Datenerhebung in Nordeurasien auf.

Jakutien-Population aus dem Spätneolithikum als entscheidender Faktor

Durch ihre aDNA-Analyse konnten die Forscher*innen die Jakutien-Population aus dem Spätneolithikum bis zur Bronzezeit (vor 4.500–3.200 Jahren) als einen entscheidenden Faktor für die genetische Grundlage fast aller heutigen uralisch sprechenden Völker identifizieren. Diese Gruppe wanderte zuerst nach Westsibirien und später nach Osteuropa. Die Bewegung steht im Zusammenhang mit dem Seima-Turbino-Phänomen, einer raschen kulturellen und technologischen Expansion, die durch die Verbreitung der Bronzemetallurgie gekennzeichnet ist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Wanderung auch die früheste westliche Ausbreitung der uralischen Sprachen markiert.

Auch die Cis-Baikal Gruppe der Jungsteinzeit (vor 5.100-3.700 Jahren) spielte eine wichtige Rolle: Die Studie identifizierte eine Population von spätbronzezeitlichen Individuen aus der Baikalregion und der Region um den Oberen Jenissei, einem sibirischen Fluss, als die wahrscheinlichste genetische Wurzel der jenisseischen Sprachgeschichte.

„Durch die Generierung und Analyse einer großen Anzahl von Genomen von Individuen aus den relevanten archäologischen Fundstätten haben wir nun neue Einblicke in die vergangenen Verbindungen zwischen Menschen, ihrer materiellen Kultur und ihren Sprachen gewonnen“, sagt Ron Pinhasi, Co-Erstautor von der Universität Wien.

„Eine Sprache lässt sich nicht direkt aus Genomen lesen, aber wenn genetische Abstammung, archäologischer Kontext und Sprachgeografie zusammenkommen, sind fundierte Rückschlüsse möglich“, so Leonid Vyazov, Co-Erstautor von der Universität Ostrava. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung multidisziplinärer Forschung und internationaler Zusammenarbeit für die Rekonstruktion komplexer prähistorischer Entwicklungen.“

Weiterhin dokumentiert die Studie Kontaktzonen, in denen uralische Sprecher*innen mit indo-iranischen Steppengruppen interagierten, und liefert damit einen plausiblen Kontext für bekannte sprachliche Entlehnungen.

Quelle

Universität Wien (07/2025)

Publikation

Pinhasi, R., Reich, D., Vyazov, L. et al: ‚Ancient DNA reveals the prehistory of the Uralic and Yeniseian peoples‘. In: Nature, 2025.
DOI: 10.1038/s41586-025-09189-3

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