Programmierbare DNA-Moiré-Supergitter: Neuer Gestaltungsraum für Materialien auf der Nanoskala

8. August 2025

Forschende der Universität Stuttgart und des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung haben einen innovativen Ansatz entwickelt, um Moiré-Supergitter auf der Nanometerskala mithilfe fortgeschrittener DNA-Nanotechnologie zu erschaffen. Solche Supergitter entstehen, wenn zwei periodische DNA-Gitter leicht verdreht oder versetzt übereinandergelegt werden, wodurch ein neues, großflächiges Interferenzmuster mit vollständig veränderten physikalischen Eigenschaften entsteht.

Dieser neue Ansatz vereinfacht nicht nur die komplexe Konstruktion dieser Supergitter, sondern eröffnet auch völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten auf der Nanoskala. Obwohl Moiré-Muster in der modernen Festkörper- und Photonikforschung immer wichtiger werden, ist ihre Herstellung bislang oft aufwendig und fehleranfällig, da vorgefertigte Schichten präzise ausgerichtet und unter streng kontrollierten Bedingungen transferiert werden müssen. „Unser Ansatz umgeht die traditionellen Einschränkungen bei der Herstellung von Moiré-Supergittern“, sagt Professorin Laura Na Liu.

Neues Paradigma zur Herstellung von Moiré-Supergittern

„Herkömmliche Methoden zur Herstellung von DNA-Moiré-Supergittern basieren auf mechanischem Stapeln und Drehen von zweidimensionalen Materialien. Wir dagegen nutzen einen „Bottom-up“-Assemblierungsprozess“, erläutert Laura Na Liu. Ein Assemblierungsprozess ist ein Verfahren, mit dem einzelne DNA-Stränge zu größeren, geordneten Strukturen zusammengefügt werden. Es beruht auf Selbstorganisation: Die DNA-Stränge fügen sich ohne äußeres Eingreifen, allein durch molekulare Wechselwirkungen zusammen. Diese Besonderheit macht sich das Forschungsteam zunutze. „Wir kodieren die geometrischen Parameter für das Supergitter wie Drehwinkel, Abstand der Untergitter und Gittersymmetrie direkt in das molekulare Design in die Startstruktur – den sogenannten Nukleationskeim. Dann lassen wir die gesamte Architektur mit Nanometer-Präzision selbst assemblieren.“ Der Nukleationskeim fungiert somit als struktureller Bauplan, der das hierarchische Wachstum von 2D-DNA-Gittern zu präzise gedrehten Doppel- oder Dreifachschichten steuert – und das alles in einem einzigen Syntheseschritt.

Neuland: Moiré-Strukturen auf der intermediären Nanometerskala

Während Moiré-Supergitter bereits auf atomarer und photonischer Ebene umfassend erforscht wurden, blieb die intermediäre Nanometerskala, welche molekulare Programmierbarkeit und Materialfunktionalität vereint, weitgehend unerforscht. Forschende aus Stuttgart schließen diese Lücke nun, indem sie zwei fortschrittliche DNA-Nanotechniken kombinieren: DNA-Origami und Single-Stranded Tile (SST)-Assemblierung.

Durch diese hybride Strategie gelang es dem Team, mikrometergroße Supergitter mit extrem kleinen Einheitszellen von nur 2,2 Nanometern zu konstruieren. Diese Gitter weisen nicht nur regelbare Drehwinkel auf, sondern auch diverse Gittersymmetrien wie quadratische, Kagome- und Honigwabenmuster. Darüber hinaus präsentieren die Forschenden Gradienten-Moiré-Supergitter, bei denen sich der Drehwinkel und damit die Moiré-Periodizität kontinuierlich über die Struktur hinweg ändern lässt. „Diese Supergittter zeigen klar definierte Moiré-Muster unter dem Transmissions-Elektronenmikroskop, wobei die beobachteten Drehwinkel eng mit denen übereinstimmen, die im DNA-Origami-Nukleationskeim kodiert sind,“ bemerkt Co-Autor Professor Peter A. van Aken.

Die Studie etabliert außerdem einen neuartigen Wachstumsprozess für die Moiré-Supergitter. Dieser wird durch räumlich definierte „Capture Strands“ auf dem DNA-Nukleationskeim initiiert. Diese Stränge fungieren als molekulare „Haken“, die es ermöglichen, Single-Stranded Tiles (SSTs) präzise zu binden und deren Ausrichtung zu steuern. So können kontrolliert verdrehte Doppel- oder Dreifachschichten mit exakt ausgerichteten SST-Untergittern gebildet werden.

Weitreichende Bedeutung für die Molekulartechnik, Nanophotonik, Spintronik und Materialwissenschaft

Die neuartigen DNA-Moiré-Supergitter bieten dank ihrer hohen räumlichen Auflösung, Adressierbarkeit und programmierbaren Symmetrie ein enormes Potenzial für vielfältige Anwendungen. Sie könnten als ideale Gerüste für nanoskalige Komponenten dienen, wie beispielsweise fluoreszierende Moleküle, metallische Nanopartikel oder Halbleiter, die in maßgeschneiderten 2D- und 3D-Architekturen integriert werden.

Wenn diese Gitter chemisch in starre Gerüste umgewandelt werden, könnten sie als phononische Kristalle oder mechanische Metamaterialien mit einstellbaren Schwingungseigenschaften fungieren. Das räumliche Gradienten-Design eröffnet zudem neue Möglichkeiten in der Transformationsoptik und für gradientenindexbasierte photonische Bauelemente, bei denen die Moiré-Periodizität Licht oder Schall entlang kontrollierter Bahnen lenken könnte.

Eine besonders vielversprechende Anwendung liegt im spinselektiven Elektronentransport, da DNA als Spinfilter bekannt ist. Die gut geordneten Supergitter mit definierten Moiré-Symmetrien könnten als Plattform dienen, um topologische Spintransportphänomene in einer konfigurierbaren Umgebung zu untersuchen. „Dabei geht es nicht darum, Quantenmaterialien nachzuahmen, sondern darum, den Gestaltungsraum zu erweitern,“ sagt Laura Na Liu. „Das Ziel ist es, strukturierte Materie von Grund auf neu zu schaffen und dabei die geometrische Kontrolle direkt in die Moleküle einzubetten.“

Quelle

Universität Stuttgart (07/2025)

Publikation

Xinxin Jing, Nicolas Kroneberg, Andreas Peil, Benjamin Renz, Longjiang Ding, Tobias Heil, Katharina Hipp, Peter A. van Aken, Hao Yan and Na Liu. DNA moiré superlattices. Nature Nanotechnology, DOI: 10.1038/s41565-025-01976-3
https://www.nature.com/articles/s41565-025-01976-3

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