24.000-mal klimaschädlicher als CO2: Emissionen des Gases SF6 in Deutschland

8. Dezember 2025

Ein internationales Forschungsteam, das unter anderem Wissenschaftler der Goethe-Universität umfasst, konnte mithilfe von Messungen und aufwendigen Computermodellen eine bisher unberücksichtigte Emissionsquelle für das klimaschädliche Gas Schwefelhexafluorid (SF6) in Süddeutschland lokalisieren. Diese regionale Quelle ist bislang nicht in der deutschen Klimabilanz erfasst.

Eigenschaften und Anwendungen von SF6

Bei SF6 handelt es sich um ein chemisch sehr stabiles, farb- und geruchloses sowie ungiftiges Gas. Es wird weltweit hauptsächlich wegen seiner hervorragenden Isolier- und Lichtbogenlöscheigenschaften als Isolier- und Schutzgas in elektrischen Schaltanlagen der Mittel- und Hochspannungstechnik eingesetzt. Früher fand das Gas in Deutschland weitere Anwendungen, beispielsweise als Füllgas für Sportschuhe oder als Isoliergas in Schallschutzfenstern. Diese Verwendung wurde jedoch im Jahr 2006 verboten.

Gleichzeitig gilt SF6 als das stärkste bekannte Treibhausgas: Ein einziges Kilogramm dieses Gases trägt zur Erderwärmung genauso viel bei wie rund 24 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2). Aufgrund dieser extremen Klimawirkung zählt SF6 zu jenen Substanzen, deren Emissionen die beteiligten Staaten regelmäßig an die Vereinten Nationen berichten müssen. Bisher basierte die Bilanzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland auf der Annahme, dass der Großteil dieser Emissionen heutzutage aus der Entsorgung alter Schallschutzfenster resultiert, wobei das Gas in die Atmosphäre entweicht.

Höchste SF6-Konzentrationen am Taunus Observatorium

Forschende der Goethe-Universität Frankfurt konnten nun gemeinsam mit ihren europäischen Partnern erstmals belegen, dass die tatsächlichen Emissionen einer Quelle in Südwestdeutschland wahrscheinlich deutlich höher sind als bisher angenommen. Das Team um Prof. Andreas Engel vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität betreibt seit einigen Jahren die Messstation am Taunus Observatorium, die seit dem Jahr 2023 zum internationalen Messnetzwerk AGAGE (Advanced Global Atmospheric Gas Experiment) gehört.

Engel erklärt: „Von allen europäischen Messstationen des Netzwerkes registrieren wir am Taunus Observatorium die höchsten SF6-Konzentrationen.“ Er fügt hinzu: „Das hat uns stutzig gemacht – besonders, weil die höchsten Werte bei südlicher Anströmung auftreten.“ Im Zuge einer Studie, die vom Umweltbundesamt initiiert und gefördert wurde, um die Emissionsdaten mithilfe neuer Methoden und Erkenntnisse zu überprüfen, erfolgte daraufhin eine eingehendere Untersuchung dieser Beobachtungen. Daraufhin stießen die Forschenden in Luftproben des ICOS-Netzwerkes (Integrated Carbon Observation System) aus Karlsruhe auf noch höhere Konzentrationen des Gases.

Lokalisierung der Emissionsquelle

Mithilfe atmosphärischer Transportmodelle und der sogenannten inversen Modellierung war es dem Team möglich, die Emissionen räumlich zuzuordnen (der sogenannte Top-down-Ansatz). Das Ergebnis dieser Analyse zeigte, dass die höchsten Emissionen aus der Region Heilbronn im Südwesten Deutschlands stammen und dort jährlich rund 30 Tonnen SF6 freigesetzt werden. Dies entspricht etwa einem Drittel der gesamten deutschen SF6-Emissionen.

Einordnung im globalen Vergleich

Die Wissenschaftler betonen jedoch, dass diese Mengen im Hinblick auf die globalen SF6-Emissionen von insgesamt rund 8000 Tonnen pro Jahr vergleichsweise gering sind. Allein China trägt zu dieser globalen Gesamtmenge mit etwa 5000 Tonnen jährlich bei.

Katharina Meixner erklärt: „Eine solche regionale Verteilung der Emissionen passt nicht zu den bisherigen Annahmen, wonach die Emissionen hauptsächlich aus der Entsorgung alter Schallschutzfenster stammen sollten.“ Sie fährt fort: „Auffallend ist allerdings, dass sich in diesem Gebiet die einzige uns bekannte Produktions- und Recyclinganlage für SF6 in Europa befindet.“ Meixner betont weiter: „Nur wenn klar ist, woher die Emissionen in Deutschland kommen, können sie auch richtig bilanziert und gezielt nachgesteuert werden, um die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren.“

Andreas Engel erläutert die mögliche Ursache für die erhöhten Emissionen: „Es wurde bereits an anderer Stelle wissenschaftlich aufgezeigt, dass Emissionen bei der Herstellung, Nutzung und dem Recycling hochflüchtiger Stoffe oft schwieriger zu vermeiden und damit auch höher sind als bisher angenommen.“

Bottom-up und Top-down: Validierung von Emissionsdaten

Mit ihren Untersuchungen leistet die Frankfurter Arbeitsgruppe einen wichtigen Beitrag dazu, die bislang vor allem auf theoretischen Annahmen basierenden Bottom-up-Erfassungen von Emissionen zu validieren und durch Top-down-Emissionsabschätzungen, die auf atmosphärischen Messungen basieren, zu ergänzen. Neben SF6 misst die Arbeitsgruppe auch eine Vielzahl weiterer halogenierter Treibhausgase und ozonzerstörender Substanzen.

Quelle

Goethe-Universität Frankfurt am Main (12/2025)

Publikation

Katharina Meixner, Thomas Wagenhäuser, Tanja J. Schuck, Sascha Alber, Alistair J. Manning, Alison L. Redington, Kieran M. Stanley, Simon O’Doherty, Dickon Young Joseph Pitt, Angelina Wenger, Arnoud Frumau, Ann R. Stavert, Christopher Rennick, Martin K. Vollmer, Michela Maione, Jgor Arduini, Chris R. Lunder, Cedric Couret, Armin Jordan, Xochilt Gutiérrez Gutiérrez, Dagmar Kubistin, Jennifer Müller-Williams, Matthias Lindauer, Martin Vojta, Andreas Stohl, Andreas Engel: Characterisation of German SF6 emissions. ACS Environmental Science & Technology – Air (2025) https://doi.org/10.1021/acsestair.5c00234

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