Iridoide stellen eine weit verbreitete und evolutionär alte Klasse pflanzlicher Sekundärstoffe dar, die zur Gruppe der Terpene gehören. Sie kommen in Tausenden von Pflanzenarten vor und sind essenziell für die Pflanzenabwehr sowie für die Interaktion der Pflanzen mit ihrer Umgebung.
Vorkommen und Medizinische Relevanz
Darüber hinaus sind Iridoide auch in bestimmten Nahrungsmitteln, wie zum Beispiel Oliven oder Blaubeeren, enthalten und werden aufgrund ihrer potenziell entzündungshemmenden Wirkung geschätzt. Ihre Bedeutung reicht jedoch weit über die Ernährung hinaus: Iridoide sind essenzielle Vorläufer für eine Reihe medizinisch wichtiger Verbindungen. Dazu zählen das bekannte Krebsmedikament Vinblastin sowie die Ipecacuanha-Alkaloide, die in den Heilpflanzen Salbeiblättrigem Alangium und der Brechwurzel vorkommen. Trotz dieser großen Relevanz war die vollständige Aufklärung ihres Biosynthesewegs bislang nicht gelungen. Insbesondere der entscheidende Schritt, die Cyclisierung zu Nepetalactol, welches die Grundstruktur aller Iridoide bildet, blieb lange unentdeckt.
Biotechnologisches Potenzial
Das neu entdeckte Enzym kann die Grundlage für eine biotechnologische Herstellung sein. Wichtige Iridoide und abgeleitete Krebsmittel könnten so produziert werden. Sarah O’Connor erforscht diesen Biosyntheseweg seit über 15 Jahren. „Seit langem sind Enzyme bekannt, die das Iridoidgerüst bilden können. Diese Iridoid-Synthasen produzieren geringe Mengen Nepetalactol und gleichzeitig große Mengen an Nebenprodukten. Wir vermuteten also lange, dass die entscheidende Cyclisierungsreaktion spontan ablaufen könnte – ohne die Hilfe eines weiteren Enzyms. Spätere Experimente, unter anderem an Katzenminze, ergaben jedoch Hinweise darauf, dass die Cyclisierung durch ein Enzym katalysiert wird. Allerdings hatten wir keine Ahnung, wie ein solches Cyclisierungsenzym wohl aussehen könnte“, erklärt Sarah O’Connor den Ausgangspunkt der Forschung. Normalerweise müssten Hunderte möglicher Enzyme auf Aktivität getestet werden. Eine Eingrenzung auf bestimmte Enzymklassen war nicht möglich. Die Zusammenarbeit mit Robin Buell von der University of Georgia war entscheidend. Sie lieferte einen neuen Datensatz. Dieser half, die Zahl der Kandidaten stark zu reduzieren.
Neue Methode führt zum Erfolg
Buells Labor erzeugte diesen Datensatz mit neuesten Methoden. Er zeigte die Genexpression in einzelnen Zellen der Brechwurzel. Ein früherer Datensatz zeigte die Expression nur in verschiedenen Geweben. Beim Vergleich beider Datensätze zeigte sich ein Muster. Nur eine sehr kleine Zahl unbekannter Gene korrelierte mit der Expression der bekannten Iridoid-Biosynthese-Gene.
Diese kleine Anzahl ermöglichte ein rasches Testen auf Aktivität. Diese Tests führte Masterstudentin Chloée Tymen durch. Für eines dieser unbekannten Gene gelang der Durchbruch. Die Forschenden wiesen nach, dass es die Cyclisierungsreaktion katalysiert. Dies geschieht, wenn es in Pflanzen oder Bakterien exprimiert wird. Damit wurde bestätigt: Dieses Gen kodiert die lang gesuchte Cyclase.
Die Forscher verglichen die Aminosäuresequenz der neu entdeckten Cyclase mit Tausenden Sequenzen von Pflanzenarten aus öffentlichen Datenbanken. Das Ergebnis war ein klarer Beleg: Das Enzym kommt ausschließlich in jenen Pflanzenarten vor, die auch in der Lage sind, Iridoide zu bilden. „Wir konnten zeigen, dass die von uns untersuchte Reaktion tatsächlich durch das Enzym katalysiert wird und die erwartete Substanz, das Nepetalactol, gebildet wird. Zu unserer Überraschung gehört das von uns gefundene Enzym jedoch zu einer vollkommen unerwarteten Klasse von Enzymen. Diese Enzymklasse ist bekannt dafür, eine völlig andere Reaktion zu katalysieren“, erläutert Maite Colinas.
Noch ist unklar, wie die Cyclisierung mechanistisch abläuft. Es existieren unterschiedliche chemische Reaktionswege für eine Cyclisierung, doch der genaue Mechanismus, durch den die nun entdeckte Cyclase arbeitet, ist noch unbekannt. Darüber hinaus werfen die Forschenden die Frage auf, wie sich diese Cyclisierungsfunktion im Laufe der Evolution aus einer völlig andersartigen Enzymreaktion entwickeln konnte. Diese offenen Fragen werden Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.
Unerwartete Reaktion und biotechnologisches Potenzial
Die Entdeckung der für die Iridoidbildung wichtigen Cyclase verdeutlicht einmal mehr, dass Enzyme völlig unerwartete Reaktionen katalysieren können, die selbst mit modernen bioinformatischen Methoden noch nicht vorhersagbar sind. Das Enzym eröffnet jedoch einen wichtigen Weg: Es ebnet den Weg für die zukünftige biotechnologische Produktion von Nepetalactol und den daraus abgeleiteten Krebswirkstoffen wie Vinblastin und Vincristin in Organismen wie Hefepilzen oder anderen Pflanzenarten.
Quelle
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (10/2025)
Publikation
Colinas, M., Tymen, C., Wood, J. C., David, A., Wurlitzer, J., Morweiser, C., Gase, K., Alam R. M., Titchiner, G. R., Hamilton, J. P., Heinicke, S., Dirks, R. P., Lopes, A. A., Caputi, L., Buell, C. R., O’Connor, S. E. (2025) Discovery of iridoid cyclase completes the iridoid pathway in asterids. Nature Plants, doi: 10.1038/s41477-025-02122-6
https://www.nature.com/articles/s41477-025-02122-6