Gemeinsam stärker: Gezielte Krebstherapie mit Fusionsprotein

22. September 2025

Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel haben ein neues Molekül entwickelt, das die Stärken zweier bestehender Immuntherapie-Werkzeuge vereint. Dieses Molekül ist in der Lage, das „Nicht-Angreifen“-Signal von Krebszellen zu unterbinden und gleichzeitig Immunzellen in der Tumorregion gezielt zum Angriff anzuregen. Die Entdeckung könnte die Grundlage für effizientere Krebstherapien mit weniger Nebenwirkungen bilden.

Die Geschichte der Immuntherapie reicht weit zurück. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Heilung von Linda Taylor, bei der 1984 eine fortgeschrittene Hautkrebserkrankung diagnostiziert wurde. Zu dieser Zeit waren die Prognosen für eine solche Diagnose ungünstig. Ihr Schicksal wendete sich, als sie Patientin von Dr. Stephen Rosenberg am National Cancer Institute in Bethesda, Maryland, wurde. Rosenberg war ein Pionier, der das Immunsystem für den Kampf gegen Tumore nutzbar machen wollte. Taylor wurde die erste Patientin in der Medizingeschichte, die dank einer Immuntherapie dauerhaft geheilt werden konnte. Die von Rosenberg angewandte Therapie basierte auf dem Signalstoff Interleukin-2 (IL-2). Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat diese später als erste Immuntherapie zugelassen. IL-2 aktiviert verschiedene Immunzellen, die daraufhin Tumorzellen angreifen und zerstören.

Weniger Nebenwirkungen, mehr Effizienz

Obwohl Interleukin-2 (IL-2) eine Wende in der Krebstherapie einläutete, ist die Behandlung mit einigen Problemen verbunden. Eine der Hauptschwierigkeiten sind die potenziell schweren Nebenwirkungen. Zudem aktiviert IL-2 eine breite Palette an Immunzellen, einschließlich der regulatorischen T-Zellen, die den Immunangriff auf den Tumor eher dämpfen als verstärken. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren IL-2-Varianten entwickelt, die gezielter jene Immunzellen ansprechen, die den Tumor bekämpfen.

Jüngste Forschungsergebnisse gehen noch einen Schritt weiter: Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Alfred Zippelius von der Universität Basel und dem Universitätsspital Basel hat vielversprechende Resultate mit einem Fusionsprotein erzielt. Dieses Protein, das von dem Pharmaunternehmen Roche entwickelt und bereitgestellt wurde, kombiniert eine IL-2-Variante (IL-2v) mit einem Antikörper, der PD-1 bindet. PD-1 ist ein Protein, das in großer Menge auf der Oberfläche von Immunzellen in der unmittelbaren Tumorumgebung vorkommt. Das Fusionsprotein ermöglicht es, die angreifenden Immunzellen präzise anzusteuern.

Blockade aufheben und aktivieren

Die Verbindung der beiden Komponenten, PD-1-Antikörper und IL-2v, vereint zwei entscheidende Vorteile in einem Wirkstoff. Einerseits sorgt der PD-1-Antikörper dafür, dass das IL-2v gezielt an den Ort im Körper gelangt, an dem es aktiv werden soll – nämlich dort, wo es Immunzellen dazu anregen kann, den Tumor anzugreifen. Andererseits entfaltet der Antikörper selbst eine therapeutische Wirkung, die bereits in bestehenden Immuntherapien genutzt wird. Krebszellen nutzen das PD-1-Protein, um Immunzellen zu signalisieren, sie nicht anzugreifen. Wird diese Kommunikationsschnittstelle durch den Antikörper blockiert, verlieren die Immunzellen ihre Hemmung gegenüber dem Tumor, ignorieren dessen „Nicht angreifen“-Signal und beginnen, ihn zu bekämpfen. „Der Tumor drosselt normalerweise das Immunsystem, das Fusionsmolekül hebt aber diese Hemmung auf und aktiviert die Immunzellen zusätzlich“, fasst Dr. Clara Serger zusammen.

In verschiedenen Laborversuchen mit Krebs- und Immunzellen von Lungenkrebspatienten hat das Forschungsteam vom Departement Biomedizin die Wirksamkeit des Fusionsproteins demonstriert. Die Ergebnisse zeigen, dass das Molekül gezielt jene Immunzellen aktiviert, die zur Zerstörung von Tumorzellen fähig sind. Gleichzeitig bleiben dämpfenden regulatorischen T-Zellen unbeeinflusst bleiben.

Zusätzlich konnte das Fusionsprotein auch eine Gruppe von erschöpften Immunzellen reaktivieren, die durch die ständige Aktivierung im Kampf gegen den Tumor ihre Funktion verloren hatten. Die Forschenden hoffen, durch diese Erkenntnisse die Wirkungsweise des Moleküls besser zu verstehen und damit die Grundlage für weitere Verbesserungen zu schaffen. Das Molekül wird derzeit vom Pharmaunternehmen Roche in einer klinischen Phase-I-Studie getestet, um seine Sicherheit und erste Wirksamkeit beim Menschen zu überprüfen.

Quelle

Universität Basel (09/2025)

Publikation

Irene Fusi, Clara Serger, et al.
PD1-targeted cis-delivery of an IL-2 variant induces a multifaceted antitumoral T cell response in human lung cancer
Science Translational Medicine (2025), doi: 10.1126/scitranslmed.adr3718
https://doi.org/10.1126/scitranslmed.adr3718

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