Die Zellteilung, ein fundamentaler Prozess in der Biologie, birgt noch immer viele Geheimnisse. Ein Rätsel, das fast ein Jahrhundert lang ungeklärt war, wurde nun von Verena Cmentowski und Andrea Musacchio am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (MPI) in Dortmund gelöst. Ihre Forschung konzentrierte sich auf die Kinetochor-Korona, die „Krone“ der Zellteilung. Ihre Studie enthüllt, wie sich dieser multifunktionale Komplex aus einem kleinen „Protein-Keim“ über zwei parallele Wege aufbaut. Dieses präzise Zusammenspiel gewährleistet eine fehlerfreie Verteilung der Chromosomen und sichert so die Weitergabe des Lebens von einer Generation zur nächsten.
Proteine sind essenziell für die Zellfunktion, doch viele arbeiten nur als Teil größerer Multiproteinkomplexe. Diese Komplexe erfüllen zentrale Aufgaben wie Muskelkontraktion, Energieproduktion und Genregulation. Einer der größten und komplexesten dieser Komplexe ist das Kinetochor, das als zentraler Angelpunkt der Zellteilungsmaschinerie fungiert. Es verbindet Chromosomen mit den Spindelmikrotubuli, korrigiert Anheftungsfehler und initiiert die Trennung der Schwesterchromatiden. Das Kinetochor besteht aus über 100 Proteinen, die in rund 30 Unterkomplexen angeordnet sind. Seine äußerste Schicht wird als Korona bezeichnet.
Eine 20-jährige Reise
„Die Erforschung des Kinetochors ist eine enorme Herausforderung“, sagt Musacchio, Direktor am MPI. „Man kann es nicht einfach aus der Zelle herausnehmen und untersuchen – seine Größe, sein mehrschichtiger Aufbau und seine Integration in andere Zellstrukturen machen seine Analyse extrem schwer.“ In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Team von Andrea Musacchio schrittweise immer größere Teile des Kinetochors im Labor nachgebildet. Dies führte schließlich zu einer nahezu vollständigen Rekonstruktion sowie einer 3D-Strukturkarte, die als Meilenstein in der Forschung gilt. Erst kürzlich gelang es ihnen, die Korona selbst nachzubilden, ihre Kernelemente zu identifizieren und ihre gesamte Architektur zu entschlüsseln. Dennoch blieb die Frage, wie sich diese „Krone“ genau zusammensetzt, bis jetzt unbeantwortet.
Die Krone enthüllt
„Die Korona birgt einige der faszinierendsten Geheimnisse des Kinetochors“, sagt Verena Cmentowski, ehemalige Doktorandin in Musacchios Labor. „Ihr Auf- und Abbau sind entscheidend, weil sie die korrekte Chromosomen-Ausrichtung sicherstellen und den Zeitpunkt der Segregation durch Checkpoint-Signale regulieren.“ Die Arbeit von Cmentowski enthüllt, dass der Aufbau der Korona mit nur zwei Proteinen beginnt: BUB1 und BUBR1. Gemeinsam bilden sie eine Art „Keimzelle“, die eine Kette von Interaktionen auslöst. Diese Interaktionen treiben den Aufbau der Korona über zwei unabhängige, aber miteinander verknüpfte Wege voran, wodurch eine kooperative und robuste Struktur entsteht.
Eine Krone mit großer Verantwortung
Zu Beginn der Mitose hilft die Korona, die Chromosomen zum Spindeläquator zu führen und ihre korrekte Anordnung sicherzustellen. Zu Beginn der Mitose hilft die Korona, die Chromosomen zum Spindeläquator zu führen und ihre korrekte Anordnung sicherzustellen. Sobald die Mikrotubuli an die Chromosomen gebunden haben, löst sich die Korona auf. Dies gibt das Startsignal für die Trennung der Chromosomen. Beide Schritte sind für eine präzise Verteilung der Chromosomen unerlässlich.
„Eine schwere Bürde liegt auf der Krone – Fehler in diesem Prozess können zu schweren Entwicklungsstörungen und Krankheiten führen“, betont Musacchio. „Der von uns entdeckte duale Aufbau-Mechanismus verleiht der Korona Robustheit, macht sie widerstandsfähig gegen zeitliche Schwankungen und ermöglicht ihr, so lange wie nötig an den Chromosomen gebunden zu bleiben.“
Quelle
Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (09/2025)
Publikation
Cmentowski V, Musacchio A (2025). A validation strategy to assess the role of phase separation as a determinant of macromolecular localization. Science Advances
Doi: 10.1126/sciadv.ady6890
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ady6890