Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität zu Köln und des Max Delbrück Center in Berlin haben detaillierte Einblicke in einen entscheidenden Mechanismus der zellulären Qualitätskontrolle beim Menschen gewonnen. Der „Nonsense-mediated mRNA Decay“ (NMD) ist ein zellulärer Prozess, der als Qualitätskontrolle für Boten-RNAs (mRNA) fungiert. Diese mRNAs enthalten die Baupläne für Proteine. Entdeckt der NMD Fehler, sortiert die Zelle diese fehlerhaften Baupläne aus, um zu verhindern, dass daraus unvollständige oder schädliche Proteine entstehen. Solche Proteine können Krankheiten wie Entwicklungsstörungen oder Krebs verursachen.
Neue Forschungsmethoden und Erkenntnisse
Für eine aktuelle Studie nutzte das Team um Professor Dr. Niels H. Gehring vom Kölner Institut für Genetik molekulare Schalter. Mit diesen Schaltern konnten sie das Schlüsselmolekül des NMD, das Protein UPF1, gezielt und präzise ausschalten. Diese innovative Methode ermöglichte es den Forschenden, die Funktion des NMD in menschlichen Zellen mit einer bisher unerreichten Genauigkeit zu beobachten. Ein zentrales Ergebnis dieser Arbeit ist eine umfassende Datenbank. Sie ist die erste ihrer Art, die systematisch dokumentiert, welche Gene und Genvarianten direkt vom NMD-Prozess betroffen sind. Diese wertvolle Ressource ist weltweit frei zugänglich (https://nmdrht.uni-koeln.de) und eröffnet neue Möglichkeiten für die RNA- und Genomforschung.
„Mit unserem neuen System können wir erstmals sehen, wie schnell und wie umfassend NMD in menschlichen Zellen eingreift. NMD ist damit nicht nur Schutz vor Fehlern, sondern auch ein wichtiger Regulator für die Genaktivität“, sagt Gehring.
Die Forschenden haben herausgefunden, dass der NMD-Prozess (Nonsense-mediated mRNA Decay) klaren Regeln folgt. Wenn der Bauplan für ein Protein, die sogenannte Boten-RNA, ein fehlerhaftes Stoppsignal an der falschen Stelle enthält, erkennt die Zelle diesen Fehler und entsorgt den Bauplan. So wird die Produktion von nutzlosen oder schädlichen Proteinen verhindert.
„Dank des neuen Systems haben wir viele neue RNA-Varianten gefunden, die durch NMD reguliert werden und bislang übersehen wurden. Darunter auch RNA-Varianten, die an der Gehirnentwicklung beteiligt sind“, ergänzt Erstautor Dr. Volker Böhm. „Dass es so viele Varianten gibt, ist überraschend. Die Gründe für diese Vielzahl werden wir in Zukunft genauer untersuchen. Bisher blieben sie verborgen, weil die passenden Analysetechniken fehlten. Unsere Datenbank wird deshalb weltweit ein wichtiges Werkzeug für die Genomforschung sein.“
„Diese Arbeit zeigt eindrucksvoll, wie neue Technologien es ermöglichen, grundlegende biologische Mechanismen sichtbar zu machen, die für Gesundheit und Krankheit von großer Bedeutung sind“, erklärt Mitautor Prof. Markus Landthaler.
Quelle
Publikation
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1097276525007002