Mikroben entfernen giftiges Sulfid und nutzen Eisenmineralien für ihr Wachstum

2. September 2025

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Mikrobiologen Marc Mussmann und Alexander Loy von der Universität Wien hat einen neuen mikrobiellen Stoffwechsel entdeckt. Sie fanden heraus, dass sogenannte MISO-Bakterien Eisenmineralien „veratmen“, indem sie toxisches Sulfid oxidieren. Sie entdeckten, dass die Reaktion zwischen giftigem Schwefelwasserstoff und festen Eisenmineralien nicht nur ein chemischer, sondern auch ein bislang unbekannter biologischer Prozess ist. Die vielseitigen Mikroben in marinen Sedimenten und terrestrischen Feuchtgebieten können giftiges Sulfid abbauen und für ihr Wachstum nutzen. Damit könnten diese Bakterien dazu beitragen, die Ausbreitung von sauerstofffreien „Todeszonen“ in Gewässern zu verhindern.

Biogeochemische Kreisläufe beschreiben die Prozesse, bei denen Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und Eisen durch Reduktions- und Oxidationsreaktionen (Redoxreaktionen) zwischen Atmosphäre, Wasser, Boden, Gestein und Lebewesen zirkulieren. Diese Kreisläufe sind eng mit dem Klima der Erde verbunden, da sie die Bildung von Treibhausgasen steuern und das Temperaturgleichgewicht des Planeten beeinflussen.

Die Rolle von Mikroorganismen

Mikroorganismen sind in fast jedem Schritt dieser Redoxprozesse von zentraler Bedeutung. Sie nutzen zum Beispiel Schwefel- oder Eisenverbindungen zur Atmung, ähnlich wie Menschen Sauerstoff zur Verstoffwechselung von Nahrung verwenden. In Umgebungen mit wenig Sauerstoff, wie beispielsweise in Meeresböden oder Feuchtgebieten, sind Schwefel- und Eisenverbindungen für das Überleben der Mikroben besonders wichtig. Schwefel existiert in unterschiedlichen Formen, etwa als Gas in der Atmosphäre, als Sulfat in den Ozeanen oder als Mineral in Gesteinen. Auch Eisen kann je nach Sauerstoffverfügbarkeit in verschiedene chemische Zustände wechseln.

Wenn Mikroben Schwefelverbindungen verstoffwechseln, verändern sie oft gleichzeitig die chemische Form von Eisen – und umgekehrt. Diese enge Kopplung der beiden Kreisläufe hat weitreichende Konsequenzen: Sie beeinflusst die Verfügbarkeit von Nährstoffen in der Umwelt sowie die Produktion und den Abbau von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan. Ein tiefgehendes Verständnis dieser miteinander verbundenen Kreisläufe ist daher unerlässlich, um vorherzusagen, wie Ökosysteme auf Umweltverschmutzung, den Klimawandel und andere menschliche Einflüsse reagieren werden.

Eisenmineralien „atmen“, um Sulfid zu entgiften

In sauerstofffreien Ökosystemen wie Meeressedimenten und Feuchtgebieten produzieren spezialisierte Mikroben Schwefelwasserstoff, ein toxisches Sulfidgas, das nach faulen Eiern riecht. Die Konzentration dieses Gases wird maßgeblich durch die Reaktion mit Eisen(III)-Oxid-Mineralien wie rostigem Eisen kontrolliert. Dabei entstehen primär elementarer Schwefel und Eisenmonosulfid (FeS). FeS ist ein schwarzes Mineral, das unter sauerstoffarmen Bedingungen für die dunkle Färbung von Strandsedimenten verantwortlich ist.

„Wir zeigen, dass diese umweltrelevante Redoxreaktion nicht nur chemisch abläuft“, erklärt Alexander Loy, Forschungsgruppenleiter am CeMESS – dem Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien: „Auch Mikroorganismen können die Reaktion für ihr Wachstum nutzen“.Dieser mikrobielle Energiestoffwechsel, kurz MISO genannt, koppelt die Reduktion von Eisen(III)-Oxid mit der Oxidation von Sulfid. Im Gegensatz zur chemischen Reaktion produziert MISO direkt Sulfat und umgeht damit Zwischenschritte im Schwefelkreislauf. „MISO-Bakterien entfernen das giftige Sulfid und verhindern damit möglicherweise die Ausbreitung von sogenannten ‚Todeszonen‘ in Gewässern; gleichzeitig fixieren sie CO2 für ihr Wachstum – genauso wie Pflanzen“, ergänzt Senior Scientist Marc Mussmann.

Ein global bedeutender mikrobieller Prozess, der die Chemie übertrifft

In Experimenten mit kultivierten MISO-Bakterien konnten die Forscher nachweisen, dass die biologische Reaktion schneller abläuft als die entsprechende chemische Reaktion. Dieses Ergebnis legt nahe, dass Mikroben in der Natur die Haupttreiber dieses Prozesses sind. „Verschiedene Bakterien und Archaeen besitzen die genetische Fähigkeit für MISO“, erklärt Song-Can Chen, Hauptautor der Studie, „und sie kommen in einer Vielzahl natürlicher und vom Menschen geschaffener Umgebungen vor.“ In marinen Sedimenten könnte MISO bis zu 7 % der globalen Sulfidoxidation zu Sulfat ausmachen, angetrieben durch den erheblichen Zustrom reaktiven Eisens aus Flüssen und schmelzenden Gletschern in die Ozeane.

Die Ergebnisse des Forschungsteams der Universität Wien, die unter anderem im Rahmen des Exzellenzclusters „Microbiomes drive Planetary Health“ des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützt wurden, enthüllen einen bislang unbekannten biologischen Mechanismus, der die Kreisläufe von Schwefel, Eisen und Kohlenstoff in sauerstofffreien Umgebungen miteinander verbindet. „Diese Entdeckung zeigt eindrucksvoll, wie vielseitig Mikroorganismen sind, und hebt ihre essenzielle Rolle in den globalen Stoffkreisläufen hervor“, so Alexander Loy abschließend.

Quelle

Universität Wien (08/2025)

Publikation

Chen SC, Li XM, Battisti N, Guan G, Montoya MA, Osvatic J, Pjevac P, Pollak S, Richter A, Schintlmeister A, Wanek W, Mussmann M, and Loy A. 2025. Microbial iron oxide respiration coupled to sulfide oxidation. In Nature. DOI: https://www.nature.com/articles/s41586-025-09467-0

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