Schlüsselmechanismus der Alzheimer-Erkrankung entdeckt

1. September 2025

Ein Team von Neurobiologen unter der Leitung von Prof. Dr. Hilmar Bading von der Universität Heidelberg hat in Zusammenarbeit mit Forschenden der Shandong-Universität in China einen molekularen Mechanismus entschlüsselt, der entscheidend zur Alzheimer-Krankheit beiträgt. Durch Experimente an einem Alzheimer-Mausmodell konnten sie nachweisen, dass ein neurotoxischer Protein-Protein-Komplex für das Absterben der Nervenzellen im Gehirn und den damit verbundenen kognitiven Verfall verantwortlich ist. Diese Entdeckung eröffnet neue Ansätze für die Entwicklung wirksamer Therapien gegen die Krankheit.

Der in früheren Studien identifizierte Protein-Protein-Komplex besteht aus dem NMDA-Rezeptor und dem Ionenkanal TRPM4. NMDA-Rezeptoren sind für die Signalübertragung zwischen Nervenzellen unerlässlich. Während ihre Aktivierung in den Synapsen das Überleben von Nervenzellen und kognitive Funktionen unterstützt, verleiht TRPM4 den außerhalb der Synapsen befindlichen NMDA-Rezeptoren toxische Eigenschaften. Wie Prof. Hilmar Bading erklärt, bilden sie gemeinsam einen „Todeskomplex“, der Nervenzellen schädigen und abtöten kann.

Molekül FP802 zerlegt neurotoxischen Komplex

Forschungen zeigen, dass der neurotoxische NMDAR/TRPM4-Komplex bei Alzheimer-Mäusen deutlich häufiger vorkommt als bei gesunden Tieren. Ein internationales Forschungsteam hat nachgewiesen, dass dieser Komplex eine Schlüsselrolle beim kognitiven Verfall spielt. Mithilfe des „TwinF Interface Inhibitors“ namens FP802 gelang es, den schädlichen Komplex zu zerlegen. Dieser Hemmstoff bindet an die „TwinF“ genannte Kontaktstelle zwischen den beiden Proteinen und löst somit ihre Verbindung auf.

„Bei Alzheimer-Mäusen, die mit dem Molekül behandelt wurden, konnte das Fortschreiten der Erkrankung deutlich verlangsamt werden“, sagt Dr. Jing Yan. Nach Angaben der Forschenden wurden bei der Behandlung mit FP802 typische zelluläre Veränderungen, die durch Alzheimer hervorgerufen werden, wie Synapsenverlust und Schädigungen der Mitochondrien, deutlich reduziert oder traten gar nicht erst auf. Auch die kognitiven Fähigkeiten wie Lernen und Gedächtnis blieben weitgehend erhalten. Zusätzlich war die Bildung der für Alzheimer charakteristischen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn ebenfalls stark verringert.

Neurotoxische Mechanismen direkt bekämpfen

Dieser Ansatz unterscheidet sich nach grundlegend von bisherigen Therapiestrategien für die Alzheimer-Erkrankung. „Statt auf die Entstehung oder Entfernung von Amyloid aus dem Gehirn zu zielen, blockieren wir mit dem NMDAR/TRPM4-Komplex einen nachgeordneten zellulären Mechanismus, der einerseits zum Absterben von Nervenzellen führen kann und andererseits – in einer krankheitsverstärkenden Rückkopplung – die Bildung von Amyloid-Ablagerungen befördert“, so der Heidelberger Neurobiologe. In Vorgängerstudien konnte das Team vergleichbare neuroprotektive Effekte des „TwinF Interface Inhibitors“ FP802 für Krankheitsmodelle der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) nachweisen. Hier kommt ebenfalls der NMDAR/TRPM4-Komplex zum Tragen.

Neue Hoffnung im Kampf gegen neurodegenerative Erkrankungen

Die Forschenden vermuten, dass dieser neuartige Hemmstoff ein breit anwendbares Wirkstoffprinzip darstellt, das das Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und ALS verlangsamen oder sogar stoppen könnte. Eine klinische Anwendung beim Menschen ist jedoch noch in weiter Ferne. „Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend im präklinischen Kontext; bis zu einer möglichen Anwendung beim Menschen sind jedoch umfangreiche pharmakologische Entwicklungsarbeiten, toxikologische Untersuchungen sowie klinische Studien erforderlich“, betont der Wissenschaftler. In enger Zusammenarbeit mit FundaMental Pharma soll das neuroprotektive Molekül FP802 dafür in den kommenden Jahren optimiert werden.

Quelle

Universität Heidelberg (08/2025)

Publikation

J. Yan, X. Yang, G. Li, O. A. Ramirez, A. M. Hagenston, Z.-Y. Chen, H. Bading: The NMDAR/TRPM4 death complex is a major promoter of disease progression in the 5xFAD mouse model of Alzheimer’s disease. Molecular Psychiatry (26 August 2025), https://doi.org/10.1038/s41380-025-03143-5

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