Hochfrequente Molekülschwingungen leiten Elektronenbewegung ein

25. August 2025

Ein Team der Universität Oldenburg hat die ersten Schritte der ultraschnellen Ladungsverschiebung in einem komplexen Farbstoffmolekül untersucht und dabei eine überraschende Entdeckung gemacht. Bisher wurde angenommen, dass Prozesse im umgebenden Lösungsmittel die Ladungstrennung auslösen. Die Forschenden fanden jedoch heraus, dass schnelle Schwingungen der Atomkerne innerhalb des Moleküls die treibende Kraft sind. Diese Schwingungen üben Kräfte auf die Elektronen aus und initiieren so den Ladungstransport, der für die Stromerzeugung in organischen Solarzellen entscheidend ist. Der untersuchte Farbstoff ist ein wesentlicher Bestandteil eines Kunststoffs, der in diesen Solarzellen zum Einsatz kommt. „Unsere Ergebnisse liefern neue Einblicke, um den Ladungstransport etwa in organischen Solarzellen besser zu verstehen, und könnten dazu beitragen, effizientere Materialien zu entwickeln“, betont De Sio von der Universität Oldenburg.

Atomkerne leiten Ladungstransport in organischen Solarzellen ein

Der untersuchte Farbstoff wurde von Forschenden um Prof. Dr. Peter Bäuerle von der Universität Ulm synthetisiert. Er bildet den Grundbaustein eines Kunststoffs, der in organischen Solarzellen zur Umwandlung von Sonnenlicht in Strom verwendet wird. „Die Moleküle bestehen aus jeweils drei Teilen – einem zentralen Baustein und zwei identischen Gruppen, die sich rechts und links davon befinden“, erläutert De Sio. Im Molekül befindet sich ein zentraler Elektronendonor, der leicht Elektronen abgibt, und zwei äußere Elektronenakzeptoren, die angeregte Elektronen aufnehmen können.

Wenn Licht das Molekül anregt, kann sich ein Elektron zu einem der beiden Akzeptoren bewegen. Dieser Vorgang, bekannt als Symmetriebrechung, führt zu einer Farbverschiebung des emittierten Lichts, einem Effekt namens Solvatochromie. Bisher war der genaue Auslöser dieser Symmetriebrechung unbekannt. Um diesen Mechanismus zu erforschen, versetzten die Doktorandinnen Katrin Winte und Somayeh Souri die Farbstoffmoleküle mit ultrakurzen Laserimpulsen in einen angeregten Zustand. Mithilfe dieser Femtosekunden-Laser konnten sie die Bewegungen von Elektronen und Atomkernen in den ersten tausend Femtosekunden nach der Anregung detailliert beobachten.

Das Ergebnis: Ein Laserimpuls regte innerhalb der ersten 50 Femtosekunden schnelle Schwingungen zwischen den Atomen des Farbstoffmoleküls an. „Die Kohlenstoffatome im Molekül beginnen zu vibrieren“, erläutert De Sio. Die beobachteten Schwingungen verändern die Energiezustände des Moleküls und geben dem angeregten Elektron eine bevorzugte Bewegungsrichtung vor. In den ersten Momenten verhalten sich die Moleküle des Lösungsmittels noch wie „eingefroren“ und können den Prozess nicht beeinflussen. Erst nach einigen Hundert Femtosekunden richten sie sich neu aus und stabilisieren den veränderten Zustand des Moleküls. Dies führt zu der charakteristischen Farbverschiebung, bekannt als Solvatochromie.

Weiteres Experiment mit anderem Lösungsmittel

Die Forschenden bestätigten ihre Ergebnisse durch ein weiteres Experiment mit einem anderen Lösungsmittel, bei dem die Solvatochromie nicht auftritt, aber dennoch die anfänglichen Schwingungen beobachtet wurden. Diese Erkenntnisse wurden zusätzlich durch quantenchemische Berechnungen des Los Alamos National Laboratory und der Universität Bremen untermauert.

„Unsere Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass bestimmte hochfrequente Schwingungsbewegungen innerhalb des Moleküls die ultraschnelle Ladungsverschiebung auslösen und nicht Wechselwirkungen mit dem Lösungsmittel“, betont Lienau. Dieser Mechanismus könne auch in festen Materialien und Nanostrukturen eine Rolle spielen. „Für technologische Anwendungen ist es entscheidend, die Interaktion von Ladungsträgern mit solchen molekularen Schwingungen und mit der Umgebung kontrollieren zu können“, ergänzt De Sio. Die Ergebnisse könnten daher nicht nur das Verständnis des Ladungstransports auf der Nanoskala voranbringen, sondern auch bei der Entwicklung neuer, lichtempfindlicher Materialien von Nutzen sein.

Quelle

Informationsdienst Wissenschaft e. V. / Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (08/2025)

Publikation

Katrin Winte et al.: „Vibronic coupling-driven symmetry breaking and solvation in the photoexcited dynamics of quadrupolar dyes”, Nature Chemistry, doi: 10.1038/s41557-025-01908-7
https://www.nature.com/articles/s41557-025-01908-7

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