Pesterreger in 4.000 Jahre altem Schafszahn entdeckt

22. August 2025

Vor etwa 5.000 Jahren breitete sich eine mysteriöse, ausgestorbene Form der Pest in Eurasien aus. Forschende haben nun erstmals den Erreger dieser Epidemie in den Überresten eines domestizierten Schafs nachgewiesen, das vor 4.000 Jahren in der westeurasischen Steppe lebte. Hinweise deuten darauf hin, dass die Pestinfektionen bei Mensch und Tier durch die Ausbreitung aus einem unbekannten Wildtier-Reservoir verursacht wurden. Die weit verbreitete Schafhaltung während der Bronzezeit brachte die Hirtengemeinschaften dabei in engeren Kontakt mit diesem Erreger-Reservoir.

Zoonotischer Ursprung prähistorischer Pestinfektionen

Zoonosen, also Krankheitserreger, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden, sind für die meisten heute bekannten menschlichen Infektionskrankheiten verantwortlich. Forschende gehen davon aus, dass viele dieser Spillover-Ereignisse in den letzten 10.000 Jahren stattgefunden haben, zeitgleich mit der Domestizierung von Nutz- und Haustieren. Die Untersuchung prähistorischer Tierüberreste stellt eine einzigartige, aber bisher kaum genutzte Möglichkeit dar, die Entstehung menschlicher Infektionskrankheiten zu erforschen.

Eine der tödlichsten Zoonosen ist die Pest, die heute vor allem durch Rattenflöhe übertragen wird und im 14. Jahrhundert Millionen von Menschen das Leben kostete. Überraschenderweise zirkulierte bereits 5.000 Jahre vor den großen Pandemien eine genetisch andere Form des Pesterregers Y. pestis. Diese prähistorische Linie, die fast 3.000 Jahre lang in Eurasien vorkam, bevor sie ausstarb, hatte nicht die genetischen Voraussetzungen für eine Übertragung durch Flöhe.

Andere Tiere müssen also an ihrer Verbreitung beteiligt gewesen sein – aber welche? „Ein erster Schritt zum Verständnis der Ausbreitung und Entwicklung einer Krankheit besteht darin, herauszufinden, wo sie überall vorkommt, aber mithilfe von prähistorischer DNA wurde das noch nicht häufig gemacht“, sagt der Hauptautor der Studie Ian Light-Maka. „Wir haben über 200 Pest-Genome von prähistorischen Menschen, aber Menschen sind gar nicht die natürlichen Wirte der Pest.“

Erstmals prähistorisches Y. pestis-Erbgut bei Nutztieren entdeckt

Ein internationales Forschungsteam hat die Knochen und Zähne von Nutztieren aus der Bronzezeit untersucht. Die Proben stammen aus der Hirtenstätte Arkaim in Russland, die der Sintashta-Petrovka-Kultur zugeschrieben wird. Diese Kultur war bekannt für ihre fortschrittliche Rinder-, Schaf- und Pferdezucht. Das Team entdeckte dabei die Überreste eines 4.000 Jahre alten Schafes, das mit derselben „Late Neolithic Bronze Age“ (LNBA)-Linie des Pesterregers infiziert war, die auch Menschen in dieser Zeit befiel. Die Entdeckung hilft zu verstehen, wie sich die Seuche über Jahrtausende in Eurasien verbreiten konnte.

„Arkaim war Teil des Sintashta-Kulturkomplexes und bot uns einen hervorragenden Ort, um nach Hinweisen auf die Pest zu suchen: Es handelt sich um frühe Hirtengesellschaften ohne Getreidelager, die Ratten und deren Flöhe angezogen hätten – und zuvor wurden bereits Sintashta-Individuen mit Pestinfektionen gefunden. Daher haben wir uns gefragt, ob ihr Vieh das fehlende Bindeglied sein könnte“, sagt Taylor Hermes.

Erhöhtes Risiko für eine Infektion mit Y. pestis

Ein Vergleich des alten Y. pestis-Genoms aus Schafen mit anderen alten und modernen Genomen hat ergeben, dass es eine sehr große Übereinstimmung mit dem Genom eines Erregers aufwies, der etwa zur gleichen Zeit einen Menschen an einem nahe gelegenen Ort infiziert hatte. „Wenn wir nicht gewusst hätten, dass das Genom aus einem Schaf stammte, hätten wir angenommen, dass es sich um eine weitere Infektion beim Menschen handelt – die Genome sind fast nicht zu unterscheiden“, sagt Christina Warinner, Landon T. Clay Professorin für Wissenschaftliche Archäologie an der Harvard University und Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Antrophologie.

Das Forscherteam konnte nachweisen, dass sowohl Menschen als auch ihre Nutztiere mit derselben Y. pestis-Population infiziert waren. Aus heutiger Sicht ist bekannt, dass sich Schafe durch direkten Kontakt mit Kadavern infizierter Wildtiere, meist Nagetieren, anstecken können. Wird das Fleisch infizierter Schafe nicht ordnungsgemäß verarbeitet, kann dies zu lokalen Pestausbrüchen beim Menschen führen.

Ein solches Szenario könnte auch die Ausbreitung der prähistorischen Pest erklären und die Verbindung zwischen den Infektionen bei Mensch und Schaf herstellen. „Die Sintashta-Petrovka-Kultur ist bekannt für ihre extensive Viehzucht auf weiten Weiden, die durch damals innovative Pferdezuchttechniken unterstützt wurde. Dies bot ihren Nutztieren zahlreiche Gelegenheiten, mit Wildtieren in Kontakt zu kommen, die mit Y. pestis infiziert waren“, sagt Christina Warinner. „Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt zum Menschen.“

Unbekanntes prähistorisches Reservoir von Y. pestis

Die Analyse des neu entdeckten Y. pestis-Genoms aus Schafsknochen in Kombination mit bereits bekannten menschlichen Genomen ermöglichte eine bessere Rekonstruktion der evolutionären Entwicklung dieser ausgestorbenen Pestlinie. Überraschenderweise war die alte LNBA-Linie über ihr 6.000 Kilometer großes Verbreitungsgebiet hinweg genetisch sehr homogen.

Im Gegensatz zu heute bekannten Erregern wie SARS-CoV-2, bei denen sich ständig neue Varianten mit verbesserter Infektions- und Übertragungsfähigkeit entwickeln, zeigte diese prähistorische Linie starke evolutionäre Einschränkungen. Bemerkenswert ist, dass eine Untergruppe von Genen wiederholt und unabhängig voneinander mutierte. Diese parallelen Mutationen traten jedoch nur bei Infektionen auf, die keine direkten Nachkommen hatten, was Forschende als genetischen Fingerabdruck früherer Übertragungsereignisse interpretieren.

„Wir können zeigen, dass sich die alte Linie unter erhöhtem Druck entwickelt hat, was im Gegensatz zur heute noch vorkommenden Y. pestis steht. Darüber hinaus handelt es sich bei den Infektionen bei Schafen und Menschen wahrscheinlich um isolierte Ausbreitungen aus einem unbekannten Reservoir, das weiterhin unentdeckt ist. Die Suche nach diesem Reservoir ist der nächste Schritt“, sagt Felix M. Key, leitender Autor und Leiter der Forschungsgruppe Evolutionäre Pathogenomik am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Obwohl die neue Studie viele Fragen beantwortet, bleibt das Rätsel der schnellen und weiten Verbreitung des Erregers weiterhin ungelöst. Es ist unwahrscheinlich, dass Schafe und Menschen die Hauptüberträger waren, da fast identische Y. pestis-Genome aus derselben Zeit Tausende von Kilometern voneinander entfernt gefunden wurden – eine Distanz, die kranke Menschen oder Landtiere kaum zurücklegen konnten. Da die Untersuchung von Krankheitserregern in alten Tierresten noch in den Anfängen steckt und noch Zehntausende von Tierknochen in Archiven auf ihre Analyse warten, hoffen die Forschenden, bald weitere Antworten zu finden. „Ich denke, dass das Interesse an der Analyse dieser Sammlungen immer größer werden wird – sie liefern uns Erkenntnisse, die keine menschliche Probe liefern kann,“ so Key.

Quelle

Max-Planck-Gesellschaft (08/2025)

Publikation

Ian Light-Maka, Taylor R. Hermes, Raffaela Angelina Bianco, Lena Semerau, Pavel Kosintsev, Valeriia Alekseeva, Donghee Kim, William P. Hanage, Alexander Herbig, Choongwon Jeong, Christina Warinner, Felix M. Key
Bronze Age Yersinia pestis genome from sheep sheds light on hosts and evolution of a prehistoric plague lineage
Cell https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.07.029

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