Direkt nach dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren war das Universum extrem heiß und dicht. Innerhalb weniger Sekunden kühlte es aber so weit ab, dass sich die ersten Elemente, hauptsächlich Wasserstoff und Helium, bilden konnten. Diese waren zunächst noch ionisiert, das heißt, Elektronen und Atomkerne existierten getrennt voneinander. Erst etwa 380.000 Jahre später sank die Temperatur so weit, dass sich Elektronen und Kerne zu neutralen Atomen verbanden – ein Prozess, der als Rekombination bekannt ist. Dadurch wurde das Universum für Licht durchlässig und die Bildung chemischer Bindungen möglich.
Das erste Molekül, das sich bildete, war das Heliumhydrid-Ion (HeH+). Es entstand aus einem neutralen Heliumatom und einem ionisierten Wasserstoffkern und markiert den Anfang einer Reaktionskette, die zur Entstehung von molekularem Wasserstoff (H2) führte – dem häufigsten Molekül im Universum. Nach der Rekombination folgte das sogenannte „Dunkle Zeitalter“, in dem es zwar neutrale Atome, aber noch keine Sterne gab. Die Entstehung der ersten Sterne begann erst mehrere hundert Millionen Jahre später.
Gerade in dieser frühen Phase spielten einfache Moleküle wie HeH+ und H2 eine entscheidende Rolle bei der Sternentstehung. Um eine Gaswolke so weit zu verdichten, dass die Kernfusion einsetzen kann, muss sie Wärme abgeben. Dies geschieht durch Strahlung, die von angeregten Atomen und Molekülen ausgesendet wird. Bei Temperaturen unter 10.000 °C werden jedoch die dominierenden Wasserstoffatome bei diesem Kühlprozess ineffizient. Eine weitere Abkühlung ist dann nur noch durch Moleküle möglich, die zusätzliche Energie durch Rotationen und Schwingungen abgeben können. Das HeH+ Ion ist aufgrund seines starken Dipolmoments bei diesen kühleren Temperaturen besonders effektiv beim Abstrahlen von Wärme. Daher wird ihm eine wichtige Rolle in der Kühlphase der ersten Sterne zugeschrieben, und seine Konzentration könnte die Effizienz der frühen Sternentstehung maßgeblich beeinflusst haben.
Im frühen Universum war die Kollision mit freien Wasserstoffatomen ein entscheidender Prozess, der zum Abbau des Heliumhydrid-Ions (HeH+) führte. Dabei bildete sich ein neutrales Heliumatom und ein H2+-Ion. Dieses Ion reagierte dann mit einem weiteren Wasserstoffatom, wodurch ein neutrales H2-Molekül und ein Proton entstanden. Auf diese Weise trug die Reaktion zur Entstehung von molekularem Wasserstoff bei.
Am Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg haben Forscher:innen diesen Prozess unter Bedingungen, die denen des frühen Universums ähneln, nachgestellt. Statt mit Wasserstoff untersuchten sie die Reaktion von HeH+ mit Deuterium, einem Wasserstoff-Isotop, dessen Atomkern zusätzlich zum Proton ein Neutron enthält. Dabei entstand statt H2+ ein HD+-Ion und ein neutrales Heliumatom.
Das Experiment wurde im Kryogenen Speicherring (CSR) am MPIK durchgeführt, einem einzigartigen Instrument, das Reaktionen unter Weltraumbedingungen ermöglicht. In diesem 35 Meter langen Speicherring wurden HeH+-Ionen bei wenigen Kelvin (-267 °C) bis zu 60 Sekunden lang gespeichert und mit einem Strahl aus neutralen Deuterium-Atomen überlagert. Durch die Anpassung der relativen Geschwindigkeiten der beiden Teilchenstrahlen konnten die Wissenschaftler:innen die Kollisionsrate in Abhängigkeit von der Kollisionsenergie untersuchen, die direkt mit der Temperatur zusammenhängt.
Wichtiger Baustein für die Kosmologie: Forschende korrigieren Theorie zur frühen Sternenentstehung
Die Ergebnisse zeigten, dass die Geschwindigkeit der Reaktion mit abnehmender Temperatur nicht wie erwartet langsamer, sondern nahezu konstant bleibt. „Bisherige Theorien sagten einen signifikanten Abfall der Reaktionswahrscheinlichkeit bei niedrigen Temperaturen voraus, diesen konnten wir aber weder im Experiment noch in neuen theoretischen Rechnungen unserer Kolleg:innen nachweisen“, erläutert Dr. Holger Kreckel vom MPIK. „die Reaktionen von HeH+ mit neutralem Wasserstoff und Deuterium scheinen daher für die Chemie im frühen Universum weitaus wichtiger gewesen zu sein als bisher angenommen“, führt er weiter aus. Die im Experiment gemachten Beobachtungen stimmen mit den Erkenntnissen einer Gruppe von theoretischen Physiker:innen um Yohann Scribano überein. Diese konnten einen Fehler in der Potentialfläche identifizieren, die allen früheren Berechnungen für diese Reaktion zugrunde lag. Die überarbeiteten Berechnungen mit der korrigierten Potentialfläche passen nun sehr gut zu den Ergebnissen des CSR-Experiments.
Da die Konzentrationen der ersten Moleküle, wie HeH+ oder molekularem Wasserstoff (H2 oder HD), eine wichtige Rolle für die Entstehung der ersten Sterne spielten, stellt dieses Ergebnis einen entscheidenden Baustein dar, um die Geheimnisse der frühen Sternentstehung im Universum besser zu verstehen.
Quelle
Max-Planck-Institut für Kernphysik (07/2025)
Publikation
Experimental confirmation of barrierless reactions between HeH+ and deuterium atoms suggests a lower abundance of the first molecules at very high redshifts
F. Grussie, J. Sahoo, Y. Scribano, D. Bossion, L. Berger, M. Grieser, L. W. Isberner, Á. Kálosi, O. Novotný, D. Paul, A. Znotins, X. Urbain and H. Kreckel,
A&A, Volume 699, L12 (July 2025). DOI: https://doi.org/10.1051/0004-6361/202555316