Winzige Plastikpartikel, kleiner als ein Mikrometer, sind mittlerweile weltweit verbreitet. Ein Forschungsteam des UFZ, der Universität Utrecht und des niederländischen Meeresforschungsinstituts NIOZ hat sich daher auf die detaillierte Suche nach Nanoplastik im Nordatlantik begeben. Die jüngsten Ergebnisse sind alarmierend: Die winzigen Plastikpartikel konnten in allen Tiefenzonen zwischen der gemäßigten und subtropischen Zone des Ozeans nachgewiesen werden.
Besonders bemerkenswert ist, dass die Menge an Nanoplastik massenmäßig mit der bereits gefundenen Menge an Mikroplastik vergleichbar ist. Dies deutet darauf hin, dass Nanoplastik eine weit wichtigere Rolle bei der Verschmutzung der Meere spielt, als bisher angenommen. Die Erkenntnisse unterstreichen die Dringlichkeit, die Auswirkungen dieser unsichtbaren Plastikpartikel auf marine Ökosysteme und möglicherweise auch auf die menschliche Gesundheit genauer zu untersuchen.
Nanoplastik: Eine unterschätzte Gefahr für die Meere
Plastikmüll verschmutzt die Weltmeere und gefährdet Meerestiere, die sich in größeren Teilen verfangen oder kleinere Partikel fressen. Während der Großteil von Mikro- und Nanoplastik wieder ausgeschieden wird, kann ein geringer Anteil in den Blutkreislauf gelangen. Die genaue Menge an Nanoplastik in den Ozeanen war bisher weitgehend unbekannt, da diese Partikel kleiner als ein Mikrometer, schwer zu identifizieren und von anderen Umweltpartikeln zu unterscheiden sind. Bislang konzentrierte sich die Forschung vor allem auf größere Plastikteilchen.

Nachweisen lassen sich vor allem Kunststoffe, aus denen beispielsweise Ein- und Mehrwegplastikflaschen, Folien oderEinwegtrinkbecher und Einmalbesteck bestehen.
Im Jahr 2020 begaben sich Forscher:innen des UFZ in Zusammenarbeit mit der Universität Utrecht und dem niederländischen Meeresforschungsinstitut NIOZ auf eine Expedition an Bord der RV Pelagia. Dieses Forschungsschiff ermöglichte es, das Vorkommen von Nanoplastik entlang eines ausgedehnten Transekts im Nordatlantik zu erfassen.
An insgesamt zwölf Messstellen wurden Proben aus verschiedenen Tiefen entnommen: aus der obersten Wasserschicht in etwa 10 Metern Tiefe, aus der Zwischenschicht in rund 1.000 Metern Tiefe und schließlich 30 Meter über dem Meeresboden. Diese umfassende Beprobung liefert wichtige Daten für das Verständnis der Verteilung von Nanoplastik in den Ozeanen. „Mit den Daten dieser Messstellen können wir Aussagen über die vertikale und horizontale Verteilung von Nanoplastik im Nordatlantik treffen“, sagt Dr. Dušan Materić, Chemiker am UFZ und Erstautor der Studie.
Fortschrittliche Analysetechnik: Nanoplastik präzise messen
Für die detaillierte Analyse der Wasserproben setzten die Forscher:innen eine hochmoderne Methode ein: ein hochauflösendes Protonentransfer-Reaktions-Massenspektrometer (PTR-MS), das mit thermischer Desorption (TD) gekoppelt ist, was die Messung von Konzentrationen organischer Spurengase ermöglicht.
Der innovative Ansatz besteht darin, die winzigen Plastikpartikel in den Proben mithilfe des TD-PTR-MS zu „verbrennen“. Durch das Erhitzen werden spezifische Gase freigesetzt, die anschließend im Massenspektrometer präzise quantifiziert werden können. Diese fortschrittliche Technik erlaubt es, selbst kleinste Mengen von Nanoplastik in den komplexen Wasserproben nachzuweisen und zu bestimmen. „Da jedes Polymer einen eigenen chemischen Fingerabdruck von Gasen erzeugt, lassen sich Identität und Konzentration sehr gut ermitteln“, sagt Dušan Materić, der die Methodik im Jahr 2020 an der Universität Utrecht entwickelt hatte.
An allen 12 Messstandorten konnten die Forscher:innen Nanoplastikpartikel nachweisen. „Sie sind überall in so großen Mengen vertreten, dass wir sie ökologisch nicht mehr vernachlässigen können“, bilanziert der UFZ-Chemiker. Am häufigsten fand das Forschungsteam Nanopartikel von Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol (PS) und Polyvinylchlorid (PVC) – allesamt häufige Kunststoffe, aus denen beispielsweise Ein- und Mehrwegplastikflaschen, Folien oder Einwegtrinkbecher und Einmalbesteck bestehen. In der obersten Meerwasserschicht wiesen die Forscher:innen die Kunststoffarten an fast allen Messpunkten nach. „Dies liegt daran, dass zum einen die Weiterverteilung aus der Atmosphäre über die Meeresoberfläche geschieht und zum anderen, dass viel Plastik über die Mündungsbereiche von Flüssen eingetragen wird“, erklärt Dušan Materić.
Nanoplastik im Nordatlantik: Überraschende Verteilung in der Tiefsee
In der Schicht zwischen dem sauerstoffhaltigen Oberflächenwasser und dem sauerstofffreien Tiefenwasser, dominieren PET-Nanopartikel. „Im subtropischen Wirbel des Nordatlantiks haben wir eine höhere Belastung mit Nanoplastik festgestellt als außerhalb des Wirbels, der aufgrund der Meeresströmungen als Anreicherungszone für Mikroplastik an der Oberfläche bekannt ist.“ In der Schicht nahe am Meeresboden stellten die Forscher:innen die geringsten Konzentrationen von Nanoplastik fest. Aber auch dort registrierten sie an allen Messstellen PET-Nanoplastik. Selbst in mehr als 4.500 Metern Tiefe fanden sie PET-Nanokunststoffe, die höchstwahrscheinlich aus fragmentierten synthetischen Kleidungsfasern stammen, eventuell aber auch durch bislang unbekannte dynamische Prozesse entstanden sind. „Nanokunststoffe und Nanopartikel sind so klein, dass die physikalischen Gesetze, die für größere Teilchen gelten, oft nicht mehr greifen“, sagt er.
Überraschend war weiterhin, dass sie an keiner Messstelle Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) nachweisen konnten. PE und PP stecken beispielsweise in Müllsäcken und Plastiktüten, die als Plastikmüll oft in den Meeren landen. „Es gibt sehr viel PE/PP-Mikroplastik an der Meeresoberfläche, aber wir fanden keine PE/PP-Nanopartikel, die beispielsweise infolge von Sonneneinstrahlung oder Abrieb durch den Wellengang hätten entstehen können“, sagt Dušan Materić. Möglicherweise werde PE/PP-Nanoplastik mineralisiert oder so stark molekular verändert, dass es vom Protonentransfer-Reaktions-Massenspektrometer nicht mehr als Plastik erkannt werde oder es könnten andere dynamische Sedimentations- und Entfernungsprozesse ablaufen, die bislang noch nicht bekannt seien.
Basierend auf den Konzentrationsmessungen konnten die Forschenden die Masse von Nanoplastik im Nordatlantik extrapolieren. Demnach lagern in der obersten, bis zu 200 Meter tiefen Wasserschicht des Nordatlantiks von der gemäßigten bis zur subtropischen Zone rund 27 Millionen Tonnen: 12,0 Millionen Tonnen Polyethylenterephthalat (PET), 6,5 Millionen Tonnen Polystyrol (PS) und 8,5 Millionen Tonnen Polyvinylchlorid (PVC). „Das ist etwa die gleiche Größenordnung wie die geschätzte Masse am Makro- und Mikrokunststoff für den gesamten Atlantik“, sagt Dušan Materić. Damit mache Nanoplastik einen großen Teil an der Plastikverschmutzung der Meere aus, was bislang bei der Bewertung des marinen Plastikhaushalts nicht berücksichtigt wurde. „Noch vor ein paar Jahren war umstritten, ob es überhaupt Nanoplastik gibt. Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass zumindest in diesem Ozeansystem die Masse von Nanoplastik mit derjenigen von Makro- und Mikroplastik vergleichbar ist“, sagt er.
Quelle
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ (07/2025)
Publikation
Sophie ten Hietbrink, Dušan Materić, Rupert Holzinger, Sjoerd Groeskamp, Helge Niemann: Nanoplastic concentrations across the North Atlantic, Nature,
DOI: 10.1038/s41586-025-09218-1